Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
ganze Zeit gesucht hatte: »Rache ist Blutwurst.«
Morgenstern hatte genug von Walburga Zinsmeister und ihrem muffigen Häuschen. Er wollte nur noch ins Freie, an die frische Luft. Aber er würde wiederkommen und weitere Fragen stellen, das kündigte er der alten Frau an, die gegen den abrupten Abgang des Kommissars keinerlei Einwände hatte. Jederzeit könne er vorbeisehen, und jetzt habe sie sowieso keine Zeit mehr.
»Der Seniorennachmittag«, sagte sie zur Erklärung.
»Seniorennachmittag? Wo?«
»Unten auf dem Volksfest. Ich fahre mit dem Stadtlinienbus hin. Alle Eichstätter über siebzig Jahre bekommen heute Nachmittag kostenlos eine Maß Bier, eine Scheibe Leberkäse und eine Breze.« Und so strahlend, wie Morgenstern sie bisher noch nie gesehen hatte, fügte sie hinzu: »Von der Wiesnkönigin persönlich oder vom Herrn Oberbürgermeister.«
Dann hätte sie sich die Blutwurst eigentlich sparen können, dachte Morgenstern grimmig, als er sich verabschiedete. Er selbst würde sich zu Hause ein bisschen hinlegen und über diesen sonderbaren Fall nachdenken. Nachdenken, und auch ein bisschen schlafen.
Beim Hinausgehen warf er noch einen Blick auf den grünen Küchenschrank, genauer auf die Fotos, die zwischen Rahmen und Glasscheibe steckten. Sie zeigten Walburga Zinsmeisters Sohn, den er bereits von dem großen Hochzeitsbild kannte, daneben aber auch, in düsterem Sepia, ein Baby, ein Kind mit Schultüte, eines mit Kommunionkerze sowie – neueren Datums – einen vielleicht fünfzehnjährigen Jugendlichen.
»Mein Enkel«, sagte Walburga Zinsmeister, als sie sah, wie Morgenstern das Foto studierte. Der Junge hatte sich wohl zu Ehren der Großmutter in ein Fotostudio begeben und blickte, gebürstet und gestriegelt, freundlich in die Welt. Irgendwie kam er Morgenstern bekannt vor. Aber woher sollte er ihn kennen? Nein, das Bild zeigte einfach einen typischen Teenager, wie so viele. Verwechselbar. Ein Junge, dessen Leben um Fußball, Pickel und Pubertät kreiste. Morgenstern drehte sich um und ging die steile Straße in die Stadt hinab.
* * *
Zu Hause erwartete Fiona ihn bereits.
»Mensch, wo bleibst du denn? Der Spargel hat schon zweimal angerufen, du hattest mal wieder dein Handy nicht dabei. Er braucht dich ganz dringend.«
»Handy vergessen, typisch«, brummte Morgenstern und wählte Hechts Privatnummer in Schrobenhausen.
Der Kollege war binnen Sekunden am Apparat. »Der Ballistiker aus München hat mich angerufen.«
»Dich?«
»Ja, mich. Zu Hause. Er hat wohl ein bisschen viel Arbeit zurzeit und ist deswegen auch samstags im Labor.«
»Aha. Und was hat er rausgefunden?«
»Es gibt Neues von der Waffe, mit der Schreiber erschossen wurde.« Hecht machte eine kurze Pause, zweifelsfrei um die Spannung zu erhöhen, dann sagte er: »Er ist sich sicher, dass es sich um ein uraltes Gewehr handelt. Um einen Wehrmachtskarabiner. Was sagst du nun?«
»Wehrmacht«, echote Morgenstern, und seine Gedanken schweiften zurück in die Waffensammlung der Bereitschaftspolizei. War ihm dort nicht schon ein ähnlicher Gedanke gekommen? Warum hatte er ihn nicht weiterverfolgt? Plötzlich spürte er, wie etwas in der rechten Hosentasche seiner engen Jeans drückte. Die Metallschatulle von Walburga Zinsmeisters. Mit einem Mal wurde ihm klar, was er da mit sich herumtrug. Ein original Waffenreinigungsset für Soldaten. Mit einen Fläschchen Waffenöl und zwei verschieden harten Bürsten, die an einer dünnen, feingliedrigen Kette durch einen Gewehrlauf gezogen werden konnten. »Wehrmacht«, wiederholte er noch einmal. »Da habe ich gerade was Spannendes gefunden. Peter, komm sofort rüber nach Eichstätt.«
»Und wohin in Eichstätt?«
»Wir beide gehen aufs Volksfest.«
Hecht stöhnte: »Nicht schon wieder!«
* * *
Behäbige Blasmusik tönte den beiden Kommissaren schon von Weitem entgegen, als sie um kurz nach vierzehn Uhr auf das Bierzelt zugingen. Der Nieselregen hatte inzwischen aufgehört, die Sonne war herausgekommen und brachte den Platz zum Dampfen.
»Ich bin mir ganz sicher: In diesem Klo war früher eine Wehrmachtswaffe versteckt«, sagte Morgenstern. »Wo das Putzzeug für ein Gewehr ist, wird die Waffe nicht weit sein. Und Walburga Zinsmeister kann uns sagen, wo sie ist. Da schwöre ich drauf.«
»Möglich«, gab Hecht nachdenklich zu. »Ein Gewehr aus dem Zweiten Weltkrieg ist die Tatwaffe, und Walburga Zinsmeister, die Frau mit dem merkwürdigen Blumenstrauß am Grab von Matthias Schreiber,
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