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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Bulle«, sagte er schließlich. »Du bist ein dreckiger Bulle! Und ich Idiot habe mit dir gequatscht wie mit einem Freund.«
    Abrupt drehte er sich um und ging den Flur in die entgegengesetzte Richtung entlang davon. Morgenstern folgte ihm, zunächst im Schritttempo, dann entschloss er sich zum Laufschritt. Der Flur mündete nach einer Biegung im Treppenhaus. Er hörte, wie Jonas mit schnellen Schritten, eher schon Sprüngen, nach oben hetzte.
    »Warum schaffe ich es nie, jemanden einfach an Ort und Stelle festzunehmen?«, schimpfte Morgenstern und rannte mit laut hallenden Stiefelschritten hinterher.
    Jonas kannte sich im Spital bestens aus, das stand außer Zweifel. Aber Morgenstern hatte eine Waffe, auch wenn er sie unter keinen Umständen zum Einsatz bringen wollte. Nicht gegen diesen verwirrten jungen Mann, der Haken schlagend wie ein Hase durch die Gänge floh, treppauf, treppab, von einem Gebäudetrakt zum anderen.
    »Stehen bleiben, Polizei!«, rief Morgenstern mehrmals. Vergeblich. Wäre es nicht besser, Jonas einfach laufen zu lassen? Wo konnte er schon hin? Über kurz oder lang würde man ihn fassen, dachte Morgenstern im Laufen, doch dann nahm die Anstrengung seine ganze Konzentration in Anspruch, und ein Aufgeben kam für ihn nicht mehr in Frage. Der »dreckige Bulle« in ihm sah rot.
    Doch Jonas’ Vorsprung verringerte sich nicht, im Gegenteil. Der durchtrainierte junge Kletterer hatte eine Fitness, von der Morgenstern nur träumen konnte. Außerdem trug er Turnschuhe, während Morgenstern mit seinen Stiefeln über die Gänge und Stiegen trampelte wie ein Stier in der Arena, von etlichen Schlitterpartien gar nicht zu reden.
    Die nächste Treppe stieß auf eine schlichte, grau gestrichene Metalltür. Eine massive Brandschutztür, die wohl in einen abgetrennten Bereich des Spitalkomplexes führte. Die Tür war verschlossen, doch der Schlüssel hing direkt daneben in einem roten Metallkästchen.
    Kurz entschlossen schlug der junge Mann mit dem Ellbogen die kleine Glasscheibe ein, nahm den Schlüssel vom Haken, steckte ihn hektisch ins Schloss und drehte ihn um. Morgenstern hatte ihn nun fast eingeholt.
    »Bleib stehen, Jonas«, rief er schwer atmend. Doch Jonas warf ihm einen angsterfüllten Blick zu, schlüpfte durch die Tür und schlug sie hinter sich zu. Morgenstern war allerdings schon zu nahe, als dass der junge Mann noch Zeit gehabt hätte, die Tür wieder hinter sich abzusperren.
    Mit aller Kraft stieß Morgenstern die Tür auf – und fand sich in einem düsteren, muffigen Raum wieder, der nur durch einige wenige schräge Fensterchen Licht erhielt. Wo waren sie?
    Die Antwort auf diese Frage kam prompt. Vor ihm, hoch über einem spitzen Giebel, schlug eine Glocke viermal. Sie waren ins Dachgeschoss der Spitalkirche gelangt.
    Morgensterns Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, und er sah, dass auf dem Dachboden etliches ausrangiertes Mobiliar gelagert wurde: Kniebänke, düstere Heiligenbilder, alte Betten, Nachtkästchen und vieles andere, das den Verantwortlichen für Altenheim und Kirche zu schade fürs Wegwerfen erschienen war, aber nie wieder den Weg ins echte Leben zurückgefunden hatte. Doch jetzt erfüllten Kunst und Krempel einen nie geahnten Zweck: Sie dienten dem flüchtigen Jonas Zinsmeister als perfektes Versteck.
    Angestrengt lauschte Morgenstern, ob sich der junge Mann durch ein Geräusch verraten würde. Aber alles blieb still. Er hörte nur seinen eigenen schweren Atem und ein schnelles, gleichmäßiges Pochen: sein Herz.
    Schlagartig kam ihm ein Gedanke. Er wandte sich zur Eisentür um, zog den außen steckenden Schlüssel ab und sperrte die Tür von innen ab. Den Schlüssel steckte er in die Tasche. Die Falle war zu, stellte er mit Genugtuung fest.
    »Jonas, komm raus. Ich habe die Tür zugesperrt. Für dich gibt es nur einen Weg hier heraus, und der führt über mich«, rief er ins Dunkel. »Und versuch nicht, mich noch einmal auszutricksen. Ich habe eine Pistole. Ich meine es ernst.«
    Demonstrativ zog er seine Dienstpistole und hielt sie in die Höhe, in der Hoffnung, dass sie irgendwie zu erkennen sein würde. »Komm raus, und es passiert dir nichts. Wir beide gehen gemeinsam nach unten, und dann kannst du alles erklären. Ich bleibe an der Tür. Ich warte hier auf dich.«
    Morgenstern lauschte wieder. Bleierne Stille lag über dem Speicher. Dann war mit einem Mal Jonas’ Stimme zu hören. Sie drang hinter mehreren großformatigen Ölbildern hervor, die mitten im Raum an

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