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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Bild von ihm?«, fragte Morgenstern. Als Walburga Zinsmeister nicht antwortete, wandte er sich wieder dem Küchenschrank zu und öffnete auf gut Glück eines der Glastürchen, hinter dem Tassen und Gläser standen. Ein Bündel Briefe und Ansichtskarten, an die Rückseite der Vitrine gesteckt, hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Und hier fand Morgenstern nach kurzem Stöbern ein gerahmtes Foto des Zinsmeister-Sprösslings. Arm in Arm mit einem etwa gleichaltrigen, gut aussehenden Mädchen mit auffälligen Grübchen in den Wangen, langen braunen Haaren und einer neckisch in die Stirn geschobenen Strickmütze in Gelb-Schwarz-Grün.
    Morgenstern nickte. »Jonas Zinsmeister. Er ist groß geworden. Mit seiner Rastafrisur kann man ihn sich leicht merken.«
    Plötzlich fügten sich die Puzzleteile zusammen. Und wie von selbst fielen Morgenstern nun die weiteren Fragen ein. »Ist er oft bei Ihnen, hier im Haus?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben eine sehr enge Beziehung, so eng, wie sie nur sein kann zwischen einem Enkel und seiner einsamen Großmutter.«
    »Ja.«
    »Frau Zinsmeister, Sie haben Jonas die Geschichte seines Großvaters erzählt. Seinem Vater haben Sie sie verschwiegen, aber ihm haben Sie alles gesagt. Liege ich richtig?«
    Die alte Frau nickte.
    »Warum?«, fragte Morgenstern, ohne ernsthaft damit zu rechnen, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen. Aber Walburga Zinsmeister überraschte ihn.
    »Setzen Sie sich bitte auf den Stuhl«, wies sie ihn an, und Morgenstern nahm gehorsam am Küchentisch Platz.
    Walburga Zinsmeister straffte die Schultern, dann begann sie zu erzählen. »Jonas und sein Vater sind nie sehr gut miteinander ausgekommen. Gottfried hat spät geheiratet und war schon recht alt, als Jonas auf die Welt kam. Gottfried freute sich über seinen Buben, gar kein Zweifel. Aber er fühlte sich überfordert, und er war es auch. Seine Frau, Gabriele … na, lassen wir das. Jedenfalls haben die beiden Jonas sehr oft zu mir gebracht. Er hat oben sogar ein eigenes kleines Zimmer, in dem er, sooft er will, übernachten kann.«
    »Warum haben Sie es ihm erzählt?«, beharrte Morgenstern.
    »Ich wollte eigentlich nicht, dass er es weiß, aber es ging nicht anders. Jonas hat im Mai hier am Gymnasium sein Abitur gemacht, und als sein Einberufungsbescheid kam, war er wirklich entschlossen, zur Bundeswehr zu gehen, als Wehrpflichtiger, mit dem Gewehr in der Hand.«
    »Ja und?«, fragte Morgenstern.
    »Ich war fest davon überzeugt, dass er den Wehrdienst verweigern würde, das machen doch heute viele. Stattdessen hat er mich in endlose Diskussionen verwickelt, warum er am liebsten nach Afghanistan gehen würde. ›Deutschlands Freiheit wird am Hindukusch verteidigt‹, hat er behauptet. Er war nicht umzustimmen. ›Sie werden dir deine Haare abschneiden‹, habe ich ihm gesagt, aber das nahm er in Kauf.«
    Morgenstern atmete tief durch. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie Walburga Zinsmeister, deren Leben vom Krieg zerstört worden war, an diesem Küchentisch mit dem Abiturienten stritt, wie sie vergeblich versuchte, ihn vom Wehrdienst abzuhalten.
    »Und Ihr Gottfried, der musste seinerzeit nicht zur Bundeswehr?«, fragte Morgenstern.
    »Nein, sie haben ihn damals ausgemustert. Ich weiß nicht, ob Ihnen aufgefallen ist, dass er hinkt? Das linke Bein ist kürzer als das rechte. Schon von Geburt an.«
    »Ah so. Aber bei Jonas wäre es nun so weit gekommen, dass er fürs Vaterland die Waffe in die Hand genommen hätte.«
    »Ja. Und so habe ich ihm eines Abends erzählt, was Krieg wirklich bedeutet. Wie grausam er manche Menschen macht. Wie wenig Spielraum er dem Einzelnen für freie Entscheidungen lässt. Und ich habe ihm erzählt, wie es seinem Großvater erging, der ein tapferer Soldat war, dem am Ende niemand dankte. Niemand.« Sie machte eine lange Pause. Morgenstern hörte das leise Ticken der Küchenuhr. Über ihnen surrte die kreisrunde Neonlampe.
    »Und dann hat er den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt«, sagte die alte Frau schließlich. »Er hat mir versprochen: Kein Mitglied der Familie Zinsmeister wird mehr für Volk und Vaterland kämpfen.«
    »Haben Sie ihm die Namen der beiden Verräter gesagt, Frau Zinsmeister?«
    »Ja. Er wollte sie unbedingt erfahren, und ich hielt es für richtig, sie nicht für mich zu behalten.« Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Jonas ist ein kluger Junge, er hat viel von Henning. Er hatte über die beiden Mörder seines Großvaters schnell allerhand

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