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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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einen alten Holzschrank gelehnt waren und ihrer Restaurierung harrten.
    »Also gut, ich rede mit dir, aber nur, wenn du bleibst, wo du bist.«
    Gott sei Dank, dachte Morgenstern, und versprach laut: »In Ordnung.«
    »Du weißt alles über meinen Großvater, sonst wärst du nicht hier«, sagte Jonas, und es klang mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage.
    »Deine Oma hat mir einiges über ihn erzählt«, sagte Morgenstern. »Ich finde das alles sehr tragisch. Wirklich.«
    »Blödes Gelaber«, sagte Jonas grob und äffte Morgenstern nach: »Tragisch, sehr tragisch. Das sagen die Politiker in ihren Sonntagsreden auch immer, wenn es um die Nazis geht. Das sagen sie am Volkstrauertag, wenn sie am Kriegerdenkmal stehen. Tragisch – weißt du, was das bedeutet? Tragisch heißt höhere Gewalt. Tragisch heißt, dass niemand etwas dagegen tun kann. Tragisch heißt: shit happens. Du hast einfach Pech gehabt. Du bist ein Loser.«
    »Hör zu, Jonas. Wir sind uns viel näher, als du glauben willst«, hielt Morgenstern dagegen. »Die Männer, die deinen Opa an die SS ausgeliefert haben, haben Schuld auf sich geladen, das ist meine feste Überzeugung.«
    »Mörder sind sie«, präzisierte Jonas jenseits seiner Ölbilderbarrikade. »Und Mord verjährt nicht.«
    Morgenstern entgegnete: »Aber du bist kein Richter. Wir leben in einem Rechtsstaat, und da hat niemand die Erlaubnis, das Recht in seine eigenen Hände zu nehmen.«
    Scharf kam die Antwort aus dem Dunkel: »Siehst du eigentlich nicht fern? Liest du keine Zeitungen? Sogar die schlimmsten Verbrecher aus den Konzentrationslagern kommen mit heiler Haut davon. Mit kleinen Strafen, weil sie schon so alt sind und Mitleid verdienen. Menschen, die selbst früher niemals Gnade gezeigt haben, bekommen heute mildernde Umstände und verhöhnen noch nachträglich ihre Opfer. Das kann nicht gerecht sein.«
    Mit dumpfem Gepolter fiel in Jonas’ Nähe etwas um. Morgenstern zuckte zusammen. Doch sofort wurde es wieder still. Still und unheimlich.
    Morgenstern dachte nach. Wie oft schon hatte er selbst Menschen mühsam eines Verbrechens überführt, und vor Gericht waren seine hieb- und stichfesten Beweise von den Anwälten zerpflückt worden. Zu seinen Taten zu stehen, aufrichtige Reue zu zeigen, das war vor Gericht nicht üblich. Die meisten Angeklagten zeigten, wenn sie überhaupt eine Aussage machten, weinerlich auf alle anderen in ihrer Umgebung, die mit schuld gewesen seien: geschiedene Eltern, trinkende Väter, falsche Freunde, widrige Umstände. Doch hier, in diesem Fall, kam noch die fadenscheinigste aller Entschuldigungen hinzu: die lange Zeit, die seit der Tat vergangen war.
    Und war es überhaupt eine »Tat« gewesen? Gab es Beweise? Morgenstern wurde klar, dass kein Gericht der Welt aufgrund eines Gerüchtes aus dem Jahr 1945 heute jemanden verurteilen würde. Die mageren Informationen, die Walburga Zinsmeister hatte, würden nicht einmal für eine Anklage reichen. Im Gegenteil: Der Gegenschlag würde nicht lange auf sich warten lassen – eine Anzeige gegen die alte Frau wegen Verleumdung, übler Nachrede und Ähnlichem. Dafür würde sich dann allerdings sicher ein Richter finden, dachte Morgenstern bitter.
    »Hör mir zu, Jonas«, sagte er. »Deine Oma behauptet, dass sie selbst auf Matthias Schreiber geschossen hat. Das stimmt doch nicht. Das warst du, nicht wahr?«
    »Meine Oma war es nicht!«, rief Jonas mit empörter Stimme. »Glaub ihr nicht!«
    »Dann hat sie dir den Karabiner gegeben?«, fragte Morgenstern. »Ausgerechnet die Frau, die dir die Bundeswehr ausgeredet hat, drückt dir ein Gewehr in die Hand?«
    »Sie hat mir von dem Gewehr erzählt, wollte es mir aber erst nicht geben. Aber ich habe nicht locker gelassen, bis sie mir vor einem Monat das Versteck gezeigt hat. Das Gewehr war erstklassig aufbewahrt, eingewickelt in ein Öltuch. Leider ohne Munition.« Leise fügte Jonas hinzu: »Ich bin mir nicht sicher, ob sie das alles so gewollt hat.«
    »Es gab keine Munition. Die hast du dir dann selbst besorgt«, sagte Morgenstern, und wieder klärte sich ein Rätsel. »Du hast Schreiber eine Weile im Wald beschattet und dann aus seinem Auto, das er nie absperrte, Gewehrmunition gestohlen. Kaliber 7.92. Schreiber ist mit seiner eigenen Jagdmunition erschossen worden.«
    »Woher weißt du das?«, fragte der junge Mann erstaunt.
    »Ich bin bei der Polizei«, gab Morgenstern trocken zurück.
    »Dann wird es wohl so gewesen sein«, presste Jonas hervor.
    »Wie

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