Wald der Masken
der von sich und seinen Getreuen Totenmasken nehmen ließ, bevor er gegen die Dunkelheere des Xatan zu Felde zog?«
Gesed te Ruuta!
Das war der Ritter, dem Oggrym in den Kampf gefolgt war, bevor die Streitmacht der Aegyr zersplittert wurde. Kaum konnte die Maske am Baum jene des Oggrym sein – sonst hätte sie Mythor wiedererkannt und nicht nach seinem Namen gefragt.
Aber vielleicht wußte sie, wo er sie fand.
»Ich hörte von ihm und dem Kampf, ja«, sagte er schnell. »Oggrym te Nauk konnte mir einiges darüber berichten, bevor er starb. Ich kam zu spät, um ihn und seine Krieger vor einer Übermacht der Mangoreiter zu retten. Oggrym mußte ich schwören, mich seiner Maske anzunehmen. Deshalb bin ich in diesem Wald.«
Die Maske schwieg. Mythor war es, als blitzte es ganz kurz in ihren Augenschlitzen auf. Dann hörte er ein Stöhnen, das ihm das Blut in den Adern erstarren lassen wollte.
»Sage mir deinen Namen noch einmal. Nein, warte. Mythor…«
Es war, als breitete sich das Seufzen über den ganzen Baum aus.
»Ich habe so vieles vergessen«, klagte die Geisterstimme. »Ich habe selbst den Kampf gegen die Mangokrieger und das Gesicht vergessen, das ich im Tode sah, und die Stimme, die mir ihr Versprechen gab. Und auch die Zeit meiner Gefangenschaft erschien mir wie viele Menschenalter. Dieser Wald ist erfüllt vom Odem des Bösen, Mythor. Ich fürchtete, daß ich der ewigen Verdammnis anheimfallen würde, und darum bat ich dich, meine Maske zu suchen.«
Mythor erstarrte.
»Ja, mein treuer Freund«, sagte die Maske. »Deine Suche ist zu Ende. Du hast dein Versprechen gehalten. Nun nimm mich an dich und bringe mich fort aus dem Wald, den wir einstmals als sichere Zuflucht ansahen. Denn ich bin Oggrym, dessen Körper in deinen Armen sein Leben aushauchte…«
*
Mythor stand unschlüssig vor dem silbernen Gebilde. Das Erinnern, nachdem die Maske vorher absolut nichts mit ihm anzufangen gewußt hatte, kam ihm etwas zu plötzlich. Andererseits – woher sollte er schon wissen können, was aus einem Geist wurde, der in seine Totenmaske überwechselte. Vielleicht war es so, daß die Erinnerung an den Moment des Todes verlorenging. Vielleicht sagte die Maske die Wahrheit, und die Ruhestätte, die für die Ewigkeit gedacht war, hatte sich nach dem Anbringen der Masken in einen Ort der Qual verwandelt, als die Mangoreiter in den Wald eindrangen.
»Worauf wartest du noch, mein Freund?« klang es hohl aus dem Baum. »Nachdem du den langen und gefährlichen Weg auf dich genommen hast, willst du mich nun im Stich lassen?«
Nein!
Die erhabenen Züge aus Silber, die Stimme und die eigenartige Magie ihrer Worte nahmen Mythor gefangen. Er konnte nicht glauben, daß der Geist hinter ihnen die Unwahrheit sprach.
Zögernd trat er vor und zog seinen Dolch.
»Erlöse mich«, flehte die Maske. »Befreie mich und bringe mich fort von hier.«
Er schnitt die Rinde von dem Metall und nahm die Totenmaske in beide Hände. Vorsichtig hob er sie vom Stamm ab und drehte sie. Die Innenseite zeigte das Gesicht des Ritters, nach dessen Abdruck sie gefertigt war, in jeder Einzelheit. Mythor kniff die Augen zusammen, als ein goldenes Licht ihn blendete. Die Züge des Antlitzes verschwammen und schienen in einem goldenen See zu tanzen.
»Ich habe noch eine Bitte, Mythor«, flüsterte es. »Du wirst mich zu einem Ort bringen, an dem ich wirklichen Frieden finde. Doch bevor meine Augen von dort aus starr auf die Welt blicken, erfülle mir meinen sehnlichsten Wunsch. Setze mich auf. Laß mich noch einmal durch die Augen eines Lebenden sehen und durch seine Ohren hören. Jetzt, wo ich keinen eigenen Leib mehr besitze, laß mich ein letztesmal das Pochen von Blut spüren. Mein Körper starb zu schnell, als daß ich diese Erinnerungen mit in die Ewigkeit nehmen konnte. Gib du mir, was Oggrym te Nauk nicht mehr konnte.«
Mythor war nahe daran, der Magie zu erliegen, als ihn etwas warnte. Er wußte nicht, woher es kam, doch seine Zweifel lebten erneut auf.
»Bitte!« flehte die Geisterstimme.
Mythor stellte sich vor, er wäre gestorben und als Geist in eine Totenmaske übergewechselt. Würde er dann mit den Erinnerungen an einen fremden Herzschlag, an fremde Gefühle und Sehnsüchte leben wollen?
»Warum läßt du mich dein Gesicht nicht sehen?« fragte er.
»Du sollst es sehen, wenn wir aus dem Wald heraus sind, Mythor! Ich verspreche es!«
»Dann sollst du auch durch meine Augen blicken.«
Mythor kam sich wie ein Verräter vor, als
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