Wald-Schrat
gehen, indem er mit seinen X-Beinen rückwärts trippelte. Allmählich gelangte er zu dem Schluss, dass er dieses Spiel niemals lieb gewinnen würde.
Wenigstens wusste er nun, wo das Problem lag. Der junge Zentaur wollte nicht erwachsen werden, und auf diesem einzigartigen Mond Ptero war er in der Lage, das Heranwachsen zu verhindern, denn hier war Zeit Geografie, und die Wesen hatten freie Wahl darin. Als Erwachsener hätte er sich in ein verantwortungsbewusstes Stutfohlen verliebt und wäre selbst ein verantwortlicher Bürger geworden. Allen Kindern gleich welcher Art fehlte die Erfahrung, um die Vorzüge des Erwachsenseins zu begreifen, die Zufriedenheit, die sich daraus erschloss. Wie also konnte er diesen fehlgeleiteten Jugendlichen bewegen, sein späteres Leben in Angriff zu nehmen?
Nun stand er draußen, und Kontra befand sich im Kreis. Wohin sollte er das nächste Kreuz werfen? Würde der Zentaur das Spiel abbrechen, wenn Forrest ihn ins Ohr traf? Konnte er dann nichts mehr hören? Forrest war nicht sicher, beschloss jedoch, es damit zu versuchen. Er wollte nur noch dieses Spiel zu Ende bringen, damit er seine Körperbeherrschung zurückerlangte und sich mit Imbri beraten konnte. Vielleicht hätte sie eine Idee, wie man Kontra in das Gebiet locken konnte, wo er erwachsen war.
Sorgfältig zielte er und warf sein Kreuz auf das Ohr des Zentauren. Obwohl er traf, schien nichts zu geschehen. »Was machst du?«, fragte Forrest.
Kontra blickte in die andere Richtung. »Wo bist du?«
So also wirkte der Treffer: Der Zentaur war nun kreuzhörig, sodass er alle Geräusche aus der falschen Richtung hörte. »Schau von meiner Stimme weg«, forderte Forrest ihn auf.
Kontra drehte sich um. »Ah ja«, sagte er widerborstig. »Gekreuztes Gehör. Daran hätte ich denken sollen. Na, mach dich auf was gefasst, mit dem nächsten mach ich dich alle.«
Das hörte Forrest gar nicht gerne, aber er musste sich wieder in den Kreis stellen. Sie hatten erst sechs Kreuze verbraucht; das Spiel war leider noch lange nicht vorüber.
Kontra warf und traf Forrest gleich über dem Herzen in die Brust. Das Gefühl war merkwürdig, aber nicht schlecht; zumindest erlitt er keinen Herzschlag. Was also sollte das?
»Kreuz aufs Herz heißt Ehrenwort!«, rief der Zentaur zufrieden. »Nun musst du mir die Wahrheit sagen.«
»Ich sage immer die Wahrheit«, erwiderte Forrest beleidigt.
»Aber nicht so, wie ich es will. Erzähl mir von deiner größten Schande.«
»Das muss ich nicht tun!«
»Doch, das musst du. Also los, rede!«
Und tatsächlich, er musste reden; davon war er tief im Herzen überzeugt. Das, was er am allerwenigsten von sich preisgeben wollte. Dieses Spiel war noch viel schlimmer, als er geglaubt hatte.
»Ich saß auf meinem Baum, als ein Schwarm Harpyien vorbeikam«, berichtete er. »Das sind übelriechende Geschöpfe mit dem Kopf und den Brüsten einer Frau und den Leibern von Vögeln. Sie sind ebenso hässlich anzusehen, wie die Sprache abstoßend ist, der sie sich befleißigen. Am liebsten verunreinigen sie die Blätter und die Äste meines Baumes mit ihrem Unrat und stehlen Sandalen, obwohl sie dafür gar keine Verwendung haben; sie lassen sie gleich in den nächsten Sumpf fallen. Also tue ich immer mein Bestes, um sie zu verjagen; ich werfe mit Stöcken und Steinen nach ihnen. Es hat keinen Sinn zu versuchen, sie zu verfluchen, weil niemand besser fluchen kann als eine Harpyie. Harpyien lieben es, sich im Fluchen zu messen und bringen selbst einen Oger noch zum Erröten. Auch an jenem Tag konnten sie nur Schlimmes im Sinn haben, und ich wollte sie einfach nur wieder loswerden.
Da hörte ich den Schrei einer Frau. Die schmutzigen Vögel hatten eine Nymphe gefangen und schleppten sie fort. Ich sprang von meinem Baum und eilte zu ihrer Rettung. Die Harpyien vertrieb ich mit einigen wohlgezielten Schlägen. Sie verfluchten mich so abstoßend, dass ringsum die Blätter verwelkten und meine armen Ohren knallrot anliefen. Aber ich hatte die Nymphe gerettet, und während die Harpyien davonstoben, kreischten sie unablässig Verwünschungen. ›Das wird dir noch leid tun!‹, keifte die letzte, die in den Himmel aufstieg.
Die Nymphe hingegen zeigte sich außerordentlich dankbar. ›Mein Held!‹, so nannte sie mich und umschlang mich mit ihren hellen Armen. Glühend küsste sie mich. Natürlich erwiderte ich ihr den Gefallen und fuhr fort mit der Feier, für die Faune und Nymphen weithin bekannt sind. Sie war ungewöhnlich
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