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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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ihrer Gedanken aufbürden.
    Die Mäuse, die in meinem Haus ein und aus liefen, gehörten nicht zu der gewöhnlichen Gattung, die hier eingeführt worden sein soll. Es war eine wilde Abart, die im Ort nicht zu finden war. Ich schickte eine dieser Mäuse einem hervorragenden Naturforscher, den das sehr interessierte. Während ich baute, hatte eine unter dem Haus ihr Nest und kam, bevor ich meinen Holzboden legte und die Sägespäne auskehrte, re gelmäßig um Mittag hervor, um die Krümel zu meinen Füßen aufzufressen.
    Wahrscheinlich hatte sie nie zuvor einen Menschen gesehen, fühlte sich jedoch bald wie zu Hause und lief mir über Schulter und Kleider. Wie ein Eichhörnchen, dem sie in ihren
    Bewegungen glich, huschte sie in kurzen Sätzen die Wand
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    hinauf. Als ich mich eines Tages mit dem Ellbogen auf die Bank stützte, lief sie an mir hinauf, meinen Arm entlang und im Kreis um das Papier herum, in das mein Mittagessen eingewickelt war. Ich hielt das Papier fest, fuhr damit hin und her und spielte Verstecken mit ihr. Schließlich hielt ich ihr ein Stück Käse zwischen Daumen und Zeigefinger hin, und sie kam und
    knabberte daran; dabei saß sie in meiner Hand. Danach leckte sie sich wie eine Fliege Pfoten und Schnauze und spazierte davon.
    Bald baute eine Lachmöwe in meinem Schuppen ihr Nest, und ein Rotkehlchen suchte in einer Kiefer, die nahe bei meinem Haus wuchs, Schutz. Im Juni führte das scheue Rebhuhn
    (Tetrao umbellus) seine Brut aus dem Schutz des tiefen Waldes an meinen Fenstern vorbei vor mein Haus. Dabei lockte es gluckend die Jungen und erwies sich seinem Benehmen nach ganz wie die Henne des Waldes. Die Jungen stieben, wenn man sich ihnen nähert, auf einen Warnruf der Mutter wie vom Wind weggefegt schnell auseinander. Sie gleichen so sehr dem dürren Laub und Geäst, daß schon mancher Waldbesucher
    mitten unter sie trat, ohne sie zu bemerken. Dann sah er den alten Vogel mit ängstlichen Rufen plötzlich auf schwirren oder mit schleppenden Flügeln vor sich herfliegen, um die
    Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Manchmal wirbelt und kreist die Henne mit gesträubtem Gefieder vor einem her, daß man im ersten Moment nicht erkennen kann, was für ein Tier es ist. Währenddessen drücken sich die Jungen flach an den Boden und bleiben regungslos liegen, wobei sie oft nur den Kopf unter einem Blatt verstecken. Sie achten nur auf den Warnruf der Mutter und laufen, um sich nicht zu verraten, selbst dann nicht davon, wenn man sich ihnen nähert. Man konnte geradezu auf sie drauftreten oder minutenlang den Blick auf ihnen ruhen lassen, ohne sie zu entdecken. Ich habe ein Junges in einem solchen Augenblick schon auf meiner flachen Hand liegen gehabt; auch da ging es ihm nur darum, sich, der Mutter und dem eigenen Instinkt gehorsam, ganz still zu verhalten, und es blieb ohne Furcht und Zittern flach an die Hand gepreßt liegen. So ausgeprägt ist dieser Instinkt, daß ein
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    Junges, das zufällig auf die Seite fiel, als ich es ins Laub zurücklegte, wie alle übrigen noch zehn Minuten später in genau der gleichen Stellung verharrte. Sie sind nicht nackt wie die meisten Vogeljungen, sondern frühreifer und entwickelter als junge Hühner. Der unschuldig-ernste Blick ihrer Augen ist sehr ausdrucksvoll. Darin spiegelt sich scheinbar alle
    Intelligenz. Neben kindlicher Reinheit liegt darin auch erfahrene Weisheit. Ein solches Auge kommt nicht mit dem Vogel zur Welt, es ist so alt wie der Himmel, den es spiegelt. Der Mensch blickt nicht oft in einen so klaren Quell, Der unwissende oder rücksichtslose Sportsmann schießt um diese Zeit oft die Vogelmutter, und die unschuldigen Jungen fallen dann einem Raubtier zur Beute, oder sie gehen im welken Laub zugrunde, dem sie so ähnlich sind. Sie sollen unmittelbar nach dem Ausbrüten beim geringsten Schrecken auseinandergelaufen und sind dann verloren, weil sie den Ruf der Mutter nicht hören, die sie wieder sammeln möchte. Das waren meine Küken und meine Hühner.
    Es ist merkwürdig, wie viele Geschöpfe wild und frei, wenn auch verborgen, im Wald leben, wie viele sich sogar in der Nähe der Ortschaften halten, ohne je von jemandem anderen als dem Jäger entdeckt zu werden. Welch ein zurückgezogenes Leben gelingt doch dem Fischotter hier! Diese Tiere, bis zu einem Meter zwanzig lang, also so groß wie ein kleiner Junge, werden oft von keinem einzigen Menschen erblickt. Ich habe früher einmal an dieser Stelle Waschbären im Wald gesehen und hörte

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