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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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sich zu Hause eingeschlossen. Woher, zum Kuckuck, hat er nur die Barsche mitten im Winter? Ach, der Mann hatte sich, während der Boden gefroren war, Würmer aus vermoderten
    Bäumen geholt, und damit fing er sie. Er ist tiefer in der Natur verwurzelt, als der Naturforscher mit seinen Studien in sie eindringen kann, ja, er selbst wäre ein Studienobjekt für einen Forscher. Dieser hebt auf der Suche nach Insekten vorsichtig mit dem Messer das Moos und die Rinde ab; jener legt die Baumstümpfe mit der Axt bis auf den Kern bloß, daß Moos und Rinde nur so umherfliegen. Er lebt vom Entrinden der Bäume.
    Ein solcher Mann hat ein gewisses Recht darauf zu fischen, und ich sehe Kern, wie sich die Natur durch ihn kundtut. Der Barsch frißt den Wurm, der Hecht den Barsch, der Fischer den Hecht, und alle Zwischenstufen in der Skala des Seins sind ausgefüllt.
    Wenn ich bei Nebel um den See herumwanderte, hatte ich
    manchmal Spaß an dem primitiven Verfahren, das ein ganz urwüchsiger Fischer anwendete: Er stellte Erlenzweige über den kleinen Löchern im Eis auf, die sechzig bis siebzig Fuß voneinander und ebensoweit vom Ufer entfernt waren, befestigt das Ende der Schnur an einem Stock, damit sie nicht
    heruntergezogen werde, legte die lockere Schnur etwa einen Fuß über der Eisdecke über einen Erlenzweig und band ein trockenes Eichenblatt daran; wurde das Eichenblatt
    heruntergezogen, dann wußte er, daß ein Fisch anbiß. Diese
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    Gestelle konnte man durch den Nebel in regelmäßigen
    Abständen emporragen sehen, wenn man um den See
    herumging.
    Ach, die Hechtendes Waldensees! Wenn ich sie auf dem Eis liegen sehe oder in der Mulde, die der Fischer ins Eis hackt und die er mit einer kleinen Öffnung versieht, damit das Wasser Zutritt erhält, bin ich immer wieder von ihrer seltenen Schönheit überrascht. Als kämen sie aus einem Märchen, so fremd wirken sie in unseren Straßen, ja auch in den Wäldern, so fremd wie Arabien für uns. Sie sind von blendender, unwahrscheinlicher Schönheit, nicht zu vergleichen mit den leichenhaften Kabeljaus und Schellfischen, deren Loblied man auf unseren Märkten singt. Sie sind nicht grün wie die Föhren, nicht grau wie die Steine noch blau wie der Himmel. In meinen Augen sind ihre Farben womöglich noch seltsamer als die von Blumen und
    kostbaren Steinen; als seien sie die Perlen, die lebendig gewordenen nuclei oder Kristalle des Waldenseewassers. Sie sind durch und durch Waldensee; sind selbst die kleinen Waldens des Tierreichs, Waldenses. Merkwürdig, daß sie hier gefangen werden, daß in diesem tiefen, weiten Quell unter der Waldenstraße, über welche die Gespanne rumpeln, Kaleschen und klingende Schlitten fahren, dieser große goldene und smaragdene Fisch schwimmt. Ich habe nie einen auf unseren Märkten gesehen; er würde aller Augen auf sich lenken. Ganz leicht, mit ein paar Zuckungen gibt er seinen wässerigen Geist auf; so leicht wie ein vor seiner Zeit in die dünnen Luft des Himmels versetzter Sterblicher.
    Es war mein Wunsch, den so lange verlorenen Grund des
    Waldensees aufzuspüren; ich begann daher, den See im
    Frühjahr 1846, ehe das Eis schmolz, mit Kompaß, Meßkette und Senkblei gründlich zu vermessen. Um seinen Grund oder vielmehr seine Unergründlichkeit gingen viele Geschichten um, die sicherlich alle selbst unbegründet waren. Sonderbar, wie lange Menschen an die Grundlosigkeit eines Gewässers
    glauben können, ohne daß sie sich die Mühe machen, es zu messen. Ich suchte bei einem Spaziergang gleich zwei solcher
    »grundloser« Seen auf. Manche glaubten, der Waldensee
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    reiche bis zur anderen Seite der Erdkugel. Einige, die wohl längere Zeit flach auf dem Eis gelegen und, womöglich mit wässerigen Augen, durch das trügerische Medium in die Tiefe geblickt hatten, die außerdem die Angst, sich zu erkälten, zu voreiligen Schlüssen verleitete, wollten riesige Löcher gesehen haben, in die man »mit einer Fuhre Heu hätte hineinfahren können« (wenn nur jemand dazu dagewesen wäre), Löcher, die ohne Zweifel die Quelle des Styx, der Eingang zu den
    Regionen der Hölle waren! Andere, die mit einem zent
    nerschweren Lot und einer Wagenladung Tau von einem Zoll Stärke aus dem Ort herbeikamen, sind dennoch nicht auf
    Grund gestoßen. Denn während das Lot längst auf dem Grunde ruhte, ließen sie immer mehr Tau hinab, in dem vergeblichen Versuch, ihren wahrhaft unermeßlichen Wunderglauben zu
    ergründen. Ich hingegen kann meinen Lesern

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