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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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noch höher gelegen hätte, um sie vor dem Wind zu schützen. Früher, als mich die Frage, wie ich mir auf anständige Weise mein Brot verdienen und dabei genügend Freiheit für meine eigentlichen Bestrebungen erübrigen könnte, noch intensiver beschäftigte als jetzt - denn ich bin inzwischen leider etwas abgestumpft -, kam ich an der Bahnstrecke öfter an einer Kiste von sechs Fuß Länge und drei Fuß Breite vorüber, in der die Arbeiter abends ihr Werkzeug einsperrten. Das brachte mich auf den Gedanken, daß notfalls jeder Mensch, der in Geldnot war, für einen Dollar so eine Kiste bekommen könnte. Er müßte nur ein paar Löcher hineinbohren, um genügend Luft zu haben, und fände bei
    Regen und nachts darin einen Unterschlupf, in dem er sich die Freiheit seiner Seele wahren und seinen Neigungen
    nachhängen könnte. Das schien mir nicht die schlechteste, auf keinen Fall eine verachtenswerte Alternative. Man könnte aufbleiben, solange man wollte, und nach dem Aufstehen
    könnte man jederzeit hinausgehen, ohne daß einem der
    Hauswirt wegen der Miete auf den Fersen ist. Wie mancher rackert sich zu Tode, um die Miete für eine größere und komfortablere Kiste aufzubringen, der in der kleineren sicher nicht vor Kälte gestorben wäre. Das ist durchaus kein Scherz.
    Über wirtschaftliche Fragen läßt sich leicht reden, aber man wird nicht so leicht fertig mit ihnen. Von einer gesunden, widerstandsfähigen Rasse, die vorwiegend im Freien lebte, wurden hier einmal sehr bequeme Häuser hergestellt, und zwar ausschließlich aus Material, das die Natur lieferte. Ein Superintendent der indianischen Einwohner der Kolonie
    Massachusetts schrieb im Jahre 1674: »Ihre besten Häuser
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    sind dicht und warm und sehr sauber mit Baumrinde gedeckt, die von den Indianern zur Zeit des Steigens der Säfte von den Balken geschält und noch grün mit schwerem Holzbalken zu großen Platten gepreßt wird... Die einfacheren werden mit Matten gedeckt, die sie aus einer Art Binsen flechten; sie sind auch leidlich dicht und warm, doch nicht so gut wie die ersteren... Manche dieser Häuser waren zwischen sechzig und hundert Fuß lang und dreißig Fuß breit... Ich habe oft in solchen Wigwams gewohnt und fand sie genauso warm wie die besten englischen Häuser.« Er fügt hinzu, daß sie gemeinhin mit fein gearbeiteten, bestickten Decken ausgeschlagen, tapeziert und mit diversen Gegenständen ausgestattet waren. Die Indianer waren so fortschrittlich, daß sie die Stärke des Luftzuges mit einer Decke, die unter dem Abzugsloch hing, regulieren
    konnten, indem sie sie mit einer Schnur bewegten. Eine solche Herberge wurde innerhalb von einem oder höchstens zwei
    Tagen errichtet und konnte innerhalb weniger Stunden
    abgebaut und wieder aufgestellt werden; jede Familie besaß einen solchen Wigwam oder eine Wohnung darin.
    Bei den Wilden besitzt jede Familie ein Obdach, welches den Vergleich mit jedem anderen aushält und ihren einfachen, unkomplizierten Bedürfnissen entspricht. Und ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich behaupte, daß, obgleich der Vogel sein Nest, der Fuchs seinen Bau und der Indianer seinen Wigwam hat, in unserer modernen Zivilisation nicht mehr als die Hälfte aller Familien ein eigenes Zuhause besitzen. In den größeren Städten, wo die Zivilisation besonders grassiert, nennt nur ein winziger Bruchteil der Gesamtbevölkerung ein Haus sein eigen. Alle übrigen bezahlen für diese unsere äußerste Schutzhülle, die längst im Sommer und im Winter unentbehrlich ist, jährlich einen Preis, für den man ein ganzes Indianerdorf kaufen könnte und der dazu beiträgt, die Menschen ihr Leben lang arm zu erhalten. Ich möchte hier nicht von dem Nachteil sprechen, den das Mieten dem Besitz gegenüber aufweist, aber es ist doch sonnenklar, daß der Unzivilisierte sein Haus besitzt, während der Zivilisierte seines mietet, weil er sich nicht leisten kann, es zu besitzen; doch auf lange Sicht kann er sich auch
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    nicht leisten, es zu mieten. Ja, wird mir entgegnet, aber mit diesem Preis sichert sich der arme Zivilisierte eine Wohnstätte, die im Vergleich zum Unzivilisierten ein Palast ist! Eine Jahresmiete von fünfundzwanzig bis einhundert Dollar
    berechtigt ihn zur Nutznießung all jener Verbesserungen, die in Jahrhunderten geschaffen wurden: er kann geräumige, sauber gemalte oder tapezierte Zimmer, Rumfordkamine, Jalousien, kupferne Wasserpumpen, Sicherheitsschlösser, einen
    bequemen Keller und manche anderen

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