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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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gemacht haben als jene, die ehrlich versagten. Bankrott und Repudiation sind die Sprungbretter, von denen der große Teil unserer Zivilisation abspringt und seine Saltos schlägt, allein der Wilde steht auf der unnachgiebigen Planke des Hungers. Und doch findet hier jährlich die Middlesexer Viehausstellung in allem Glänze statt, als seien alle Glieder des Landwirtschaftsapparats in bester Ordnung.
    Der Farmer sucht das Problem des Lebensunterhalts durch eine Formel zu lösen, die komplizierter ist als das Problem selbst. Um seine Schuhriemen zu verdienen, spekuliert er in Viehherden. Er hat seine Falle äußerst geschickt mit haarfeinen Federn versehen, um Bequemlichkeit und Unabhängigkeit zu fangen, beim Fortgehen aber trat er mit seinem eigenen Fuß hinein. Das ist die Ursache seiner Armut. Und aus einer ähnlichen Ursache sind wir alle arm in Anbetracht der tausend Annehmlichkeiten der Wilden, trotz des uns umgebenden
    Luxus. Wie Chapman singt:
    »Die falsche Menschenwelt Für irdische Größe
    Verflüchtigt sie den Himmelstrost zu Luft.«
    Wenn der Farmer endlich ein Haus besitzt, so ist er deswegen nicht reicher, sondern eher ärmer geworden, denn nicht er hat das Haus - das Haus hat ihn. Meiner Meinung nach war der Einwand, den Momus einst gegen das von Minerva erbaute
    Haus machte, vollkommen richtig: sie habe es nicht beweglich gemacht, wodurch sich schlechte Nachbarschaft nicht
    vermeiden ließe. Der gleiche Einwand hat auch heute seine Berechtigung, denn unsere Häuser sind ein so schwerfälliger Besitz geworden, daß wir in ihnen eher gefangen als
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    beherbergt sind; die schlechte Nachbarschaft aber, die wir meiden sollten, ist unser eigenes armseliges Selbst. Ich kenne mindestens eine oder zwei Familien in dieser Gegend, die seit fast einem Menschenalter versuchen, ihr Haus auf dem Land zu verkaufen und in den Ort zu ziehen, doch bisher ohne Erfolg; nur der Tod wird ihnen die Freiheit schenken.
    Gesetzt, die Mehrheit der Menschen wäre schließlich imstande, das moderne Haus mit all seinen Verbesserungen zu besitzen oder zu mieten. Ist es der Zivilisation, die unsere Häuser verbessert hat, auch gelungen, in gleichem Maße den
    Menschen zu verbessern, der sie bewohnt? Sie hat zwar
    Paläste geschaffen, aber es war nicht so leicht, auch Edelleute und Könige hervorzubringen. Wenn das Streben des
    zivilisierten Menschen kein höheres ist als das des Wilden, wenn er den größten Teil seines Lebens auf die Befriedigung der niedrigen Bedürfnisse und die Beschaffung äußerer Bequemlichkeiten verwendet, warum sollte er dann besser wohnen als jene? Doch die ärmere Minderheit, wie verhält es sich mit ihr? Vielleicht werden in demselben Verhältnis, wie die einen in ihren Lebensumständen über dem Wilden zu stehen kommen, andere weit unter ihn sinken? Der Luxus der einen Klasse wird durch die Entbehrungen der anderen aufgewogen.
    Auf der einen Seite der Palast, auf der anderen Seite das Armenhaus und der »schweigende Arme«. Die Unzähligen, die die Pyramiden als Grabmal für die Pharaonen bauten, wurden mit Knoblauch gespeist und selbst kaum ordentlich begraben.
    Der Steinmetz, der die Gesimse des Palastes fertigt, kehrt abends vielleicht in eine Hütte heim, die schlechter als ein Wigwam ist. Es ist ein Irrtum anzunehmen, daß in einem Land, das alle üblichen Anzeichen von Zivilisation aufweist, die Lage eines großen Teils der Bevölkerung nicht ebenso
    menschenunwürdig sein kann wie die der Wilden. Ich meine hier den entwürdigten Armen und nicht den unwürdigen
    Reichen. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, mußte ich nicht weiter suchen als bis zu den Baracken, die überall an der Eisenbahn stehen, jener neuesten Verbesserung unserer
    Zivilisation. Auf meinen täglichen Spaziergängen sehe ich dort
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    Menschen, die in Ställen hausen, den Winter lang mit offener Tür, um Licht hereinzulassen, ohne die geringste Spur eines Stapels Brennholz in der Nähe; die Gestalt von alt und jung ist gekrümmt durch die ewige Gewohnheit, vor Kälte und Not zu schaudern, die Entwicklung von Gliedmaßen und Fähigkeiten gehemmt. Es ist mehr als gerecht, auch einmal auf die Klasse von Menschen zu sehen, durch deren Arbeit die Werke
    entstehen, welche unsere Epoche so hervorheben.
    Entsprechend verhält es sich mit den Bedingungen der Arbeiter aller Art in England, dem großen Arbeitshaus der Welt. Ich könnte hier auch Irland anführen, das auf der Landkarte als eins der lichten oder aufgeklärten

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