Walden Ein Leben mit der Natur
daß die fabrikmäßige Erzeugung die beste Methode ist, die Menschen zu kleiden. Die
Arbeitsbedingungen kommen denen Englands täglich näher; und das ist nicht verwunderlich, denn wie ich mich selbst überzeugen konnte, ist der Hauptzweck solcher Produktion nicht, daß die Menschheit gut und anständig gekleidet gehe, sondern zweifellos die Bereicherung der Konfektionshäuser. Zu guter Letzt erreichen die Menschen doch nur, was sie
erstreben. Drum sollten sie, auch wenn es anfangs mißlingt, lieber gleich nach etwas Hohem streben.
Ich will nicht bestreiten, daß unsere Wohnungen gegenwärtig wirklich ein Lebensbedürfnis bedeuten, obwohl es Beispiele dafür gibt, daß der Mensch lange Zeit auch ohne sie
ausgekommen ist - und in kälteren Gegenden. Samuel Laing berichtet, daß »der Lappländer in seiner Fellkleidung und einem Fellsack, den er sich über Kopf und Schultern zieht, Nacht für Nacht im Schnee schläft, und dies bei Kältegraden, die für jeden anderen, in Wolle gekleideten Menschen todbringend wären«. Er hatte sie selbst so schlafen sehen. »Dabei«, setzt er hinzu, »sind sie nicht widerstandsfähiger als andere
Menschen.« Wahrscheinlich aber hat der Mensch die Vorteile des Hauses verhältnismäßig früh entdeckt. Der Ausdruck
»trautes Heim« hat sich wohl ursprünglich mehr auf die
Annehmlichkeiten des Hauses als auf die der Familie bezogen.
Dabei wird es in jenen Breiten, wo wir uns das Haus höchstens in Winter- und Regenzeit vorstellen können, nur eine
untergeordnete Rolle spielen und ist zu zwei Dritteln des Jahres überflüssig, es sei denn als Sonnenschirm. Auch in unseren Breiten hat es im Sommer früher ausschließlich als Nachtlager gedient. In der Bilderschrift der Indianer bedeutete ein Wigwam
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das Symbol für einen Tagesmarsch, und eine Reihe davon, in die Rinde eines Baumes geschnitten, besagt, wie oft sie kampiert hatten. Der Mensch war nicht groß und stark genug geschaffen, daß er nicht danach trachten mußte, seine Welt einzuengen und einen ihm passenden Raum zu ummauern.
Anfangs ging er nackt und lebte im Freien. Bei schönem, warmem Wetter und bei Tageslicht mochte das sehr angenehm sein; Regen und Winter aber, von der glühenden Sonne ganz zu schweigen, hätten seine Gattung vielleicht im Keim
vernichtet, wäre er nicht schleunigst darangegangen, sich mit dem Schutz eines Hauses zu umgeben. Der biblischen
Erzählung nach verbargen sich Adam und Eva unter einer
Laube, ehe sie zu Kleidern übergingen. Den Menschen
verlangte es nach einem Heim, einem Fleckchen der Wärme und Behaglichkeit, zunächst der physischen, dann der
Herzenswärme.
Wir können uns vorstellen, daß in der Zeit, als die Menschheit noch in der Wiege lag, ein unternehmungslustiger Sterblicher in einer Felsenhöhle Unterschlupf suchte. Jedes Kind beginnt gewissermaßen wieder von vorne. Es hält sich gern im Freien auf, auch bei Regen und Kälte. Es spielt instinktiv »Haus« und
»Pferd«. Wer erinnert sich nicht an das Interesse, mit dem er als Kind nach überhängenden Felsen und Höhleneingängen
Ausschau gehalten hat? Darin drückte sich das natürliche Verlangen unserer primitivsten Urahnen aus, von denen immer noch ein Rest in uns lebt. Von der Höhle gingen wir zu Dächern aus Palmblättern, Rinde und Zweigen über, aus Gras, Stroh und Leinen, aus Brettern, Schindeln, Steinen und Ziegeln, bis wir nicht mehr wußten, was es heißt, im Freien zu leben, und unser Leben in mehr als einer Beziehung häuslich wurde. Vom Herd zum Feld ist ein weiter Weg, und es wäre wahrscheinlich besser, wenn wir häufiger den Tag und die Nacht ohne
Scheidewand zwischen uns und den Himmelskörpern
verlebten; wenn der Dichter nicht so viel aus geschlossenen Räumen heraus sprechen und der Heilige nicht so lange darin hausen würde. Vögel singen nicht in Käfigen, und Tauben hüten ihre Unschuld nicht im Taubenschlag.
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Wenn aber einer beabsichtigt, sich ein Wohnhaus zu bauen, dann sollte er mit ein wenig Yankee-Scharfsinn darangehen, um sich am Ende nicht statt dessen in einer Fabrik, einem Labyrinth ohne Wegweiser, einem Museum, einem Gefängnis oder einem prächtigen Mausoleum wiederzufinden. Überlegen wir uns doch einmal, wie schwach der Schutz zu sein braucht, der unbedingt notwendig ist! Ich habe in unserer Gegend Penobscot-Indianer gesehen, die in Zelten aus dünnem
Baumwollstoff wohnten, während draußen knietiefer Schnee lag. Und gewiß wäre es ihnen lieber gewesen, wenn er
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