Walden Ein Leben mit der Natur
ein Tor geschlüpft ist, durch das die Wagenladung seiner Habe ihm nicht folgen kann. Ich kann nur Bedauern empfinden, wenn ich einen netten, wendigen,
gutgebauten, fähigen Burschen von seinen »Möbeln« reden höre, und ob sie versichert sind oder nicht. »Aber was soll ich mit meinen Möbeln anfangen?« Der lustige Schmetterling hat sich da in einem Spinnennetz verfangen. Ja, sogar bei solchen, die gar keine Möbel zu besitzen scheinen, wird man bei
näherem Hinhören feststellen, daß sie in irgendeiner Scheune welche untergestellt haben. Das heutige England kommt mir vor wie ein alter Herr, der mit sehr großem Gepäck reist, Plunder, den er in allzu langer Haushaltsführung angesammelt hat und nicht zu verbrennen wagt; Schrankkoffer, Reisetasche, Hutschachtel und Bündel. Wirf wenigstens die ersten drei über Bord. Sein Bett zu schultern und loszugehen übersteigt
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heutzutage selbst die Kräfte eines gesunden Mannes; dem Kranken will ich dringend raten, sein Bett stehenzulassen und zu laufen. Wenn ich einen Einwanderer sehe, der unter dem Bündel schwankt, das seine ganze Habe enthält - wie unter einem riesigen Grützbeutel, der ihm aus dem Nacken
gewachsen ist -, habe ich Mitleid mit ihm. Nicht, weil das alles ist, was er hat, sondern weil er das alles z u tragen hat. Wenn ich schon meine Falle schleppen muß, dann sorge ich dafür, daß sie leicht ist und mir keine edlen Teile abklemmt. Aber letztendlich wäre es doch am klügsten, gar nicht erst in die Falle zu tappen.
So nebenbei möchte ich bemerken, daß mir meine Vorhänge wenig Auslagen verursachten, denn ich hatte keine Gaffer auszuschließen, außer Mond und Sonne, die ich gerne
hereinschauen ließ. Der Mond macht mir die Milch nicht sauer, noch verdirbt er mit das Fleisch, und die Sonne greift weder meine Möbel an, noch bleicht sie meinen Teppich aus; und wenn sie mir manchmal eine zu warme Freundin ist, betrachte ich es immer noch als wirtschaftlicher, hinter den Vorhang der Natur zu treten, als meinem Haushalt irgendeinen Gegenstand hinzuzufügen. Einmal bot mir eine Dame eine Fußmatte an. Da ich aber in meinem Haus keinen Raum zu schonen hatte,
weder drinnen noch draußen Zeit genug, sie auszuschütteln, lehnte ich dankend ab und zog es vor, meine Schuhe auf dem Rasen vor der Tür abzuputzen. Es ist das beste, das Übel gleich von Anfang an zu vermeiden.
Vor kurzem wohnte ich der Versteigerung der Habe eines
Geistlichen bei, der zu seinen Lebzeiten nichts weniger als ein Habenichts gewesen war:
»Was Menschen Übles tun, das überlebt sie.«
Wie gewöhnlich war das meiste unnützer Kram, der sich schon zu seines Vaters Tagen anzuhäufen begonnen hatte. Unter anderem befand sich darunter ein getrockneter Bandwurm. Und nachdem das ganze Zeug ein halbes Jahrhundert auf dem
Boden und in anderen Staubwinkeln herumgelegen hatte,
wurde es nicht verbrannt und in einem Freudenfeuer seiner reinigenden Vernichtung zugeführt, sondern in einer Auktion
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einem Zuwachs. Neugierig hatten sich die Nachbarn versammelt, um sich alles anzuschauen, zu kaufen und es behutsam auf ihre Böden und Speicher zu tragen, wo es
liegenblieb, bis auch ihr Nachlaß einmal geregelt wird und das Theater von vorne beginnt. Wenn der Mensch stirbt, wirbelt er Staub auf.
Es wäre manchmal für uns nicht unvorteilhaft, die Bräuche wilder Völker nachzuahmen, denn sie unterziehen sich
wenigstens symbolisch einer alljährlichen Häutung. Sie haben sich wenigstens den Gedanken davon erhalten, ob sie ihn nun in die Tat umsetzen oder nicht. Wäre es nicht gut, wenn auch wir eine solche »Reinigung« wie das »Fest der ersten Früchte«
feiern würden, das Bartram als einen Brauch der Mucclasse-Indianer beschreibt? »Wenn ein Dorf die Reinigung feiert«, sagt er, »stattet es sich vorher mit neuen Kleidern, neuen Töpfen und Pfannen und anderen Haushalts- und
Einrichtungsgegenständen aus. Dann werden alle
abgetragenen Kleider und andere verschmähte Sachen
gesammelt, die Häuser gekehrt, Plätze und Gassen gereinigt, aller Unrat, darunter auch das verbliebene Getreide und andere Nahrungsmittelreste, auf einem Haufen zusammengetragen
und angezündet. Und wenn alle Dorfbewohner einen
bestimmten Trank getrunken und drei Tage lang gefastet
haben, werden die Feuer im Ort gelöscht. Während der
Fasttage darf weder der Appetit noch irgendeine Leidenschaft gestillt werden. Danach wird eine allgemeine Amnestie
ausgerufen. Alle Übeltäter dürfen ins
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