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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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Neigungen hinzugeben. Seinem Arbeitgeber hingegen, der von einem Monat auf den anderen spekuliert, ist jahrein, jahraus keine Erholung vergönnt.
    Kurz, ich glaube nicht nur, sondern weiß aus Erfahrung, daß es nicht qualvoll, sondern kurzweilig ist, sich auf dieser Erde zu behaupten, wenn man nur den Willen hat, einfach und weise zu
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    leben. Wie ja auch die Beschäftigungen der primitiveren Völker stets noch von den kultivierteren als Sport betrieben werden. Es ist durchaus
    nicht nötig, daß der Mensch seinen
    Lebensunterhalt im Schweiße seines Angesichts verdient, es sei denn, er schwitzt leichter als ich.
    Ein junger Mann meines Bekanntenkreises, der ein paar Hektar Land geerbt hatte, erklärte mir, er würde gerne leben wie ich,
    »wenn er die Mittel dazu hätte«! Aber ich möchte unter keinen Umständen, daß sich irgend jemand zu meiner Lebensweise bekehre. Denn abgesehen davon, daß, bevor er sie halbwegs erlernt hat, vielleicht ich für mich eine andere entdeckt habe, möchte ich, daß so viele verschiedene Menschen als möglich auf dieser Welt leben. Ich möchte, daß jeder möglichst
    gewissenhaft seinen eigenen Weg finde und gehe, und nicht den seines Vaters, seiner Mutter oder gar den des Nachbarn.
    Mag der junge Mann Baumeister, Landwirt oder Seemann
    werden - bloß hindere man ihn nicht, das zu werden, was er selbst gerne werden möchte! Unsere Weisheit ist nichts
    anderes als ein mathematischer Punkt, nach dem wir uns
    richten, so wie der Seemann den Polarstern im Auge behält.
    Das aber genügt als Richtschnur fürs Leben. Wir würden
    unseren Hafen vielleicht nicht innerhalb einer bestimmten Zeit erreichen, aber wir würden uns auf dem richtigen Kurs
    befinden.
    Zweifellos liegt der Fall so, daß, was für den einzelnen richtig, für Tausende noch viel richtiger ist, so wie sich ja auch ein großes Haus im Verhältnis nicht teurer stellt als ein kleines, da nur ein Dach darüber, ein Keller darunter liegt und eine Wand verschiedene Zimmer trennt. Ich für meinen Teil zog es jedoch vor, allein zu hausen. Überdies wird es gewöhnlich auch billiger sein, das Ganze selbst zu bauen, als einen anderen vom Vorteil einer gemeinsamen Wand zu überzeugen. Und selbst wenn
    das gelänge, dann müßte die gemeinsame Trennwand sehr
    dünn sein, um billiger zu kommen; auch könnte sich der
    Nachbar als übler Geselle erweisen und obendrein seine Seite nicht instand halten. Zusammenarbeit ist gewöhnlich nur in äußerst begrenztem und oberflächlichem Maße möglich; das
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    bißchen wirkliche Zusammenarbeit, das es unter Menschen gibt, pflegt sich in stiller Eintracht zu vollziehen und wird in der Regel nicht wahrgenommen. Hat ein Mensch Vertrauen, so
    wird er bei jeder Zusammenarbeit das gleiche Vertrauen an den Tag legen; hat er keines, dann wird er wie alle übrige Welt weiterleben, gleichgültig, wem er sich angeschlossen hat.
    Zusammenarbeiten, im höchsten wie im niedrigsten Sinne, bedeutet: gemeinsam sein Brot verdienen. Ich hörte erst kürzlich von der Absicht zweier junger Männer, zusammen eine Weltreise zu machen. Der eine war mittellos und wollte sich sein Geld auf dem Schiff und hinter dem Pflug verdienen. Der andere wollte mit einem Kreditbrief in der Tasche fahren. Es war auf den ersten Blick zu erkennen, daß sie nicht lange Gefährten bleiben oder zusammenarbeiten konnten, da einer von ihnen gar nicht arbeiten würde. Bei der ersten ernsteren Krise bei ihren Abenteuern würden sie sich trennen. Vor allem aber kann derjenige, der allein ist, bereits heute abreisen; wer aber mit einem anderen reist, muß warten, bis dieser soweit ist
    - und das kann unter Umständen sehr lange dauern.
    »Das alles ist aber doch sehr egoistisch«, wendete einer meiner Landsleute ein. Ich muß ehrlich sagen, daß ich mich bisher nur wenig auf philanthropischem Gebiet betätigt habe.
    Ich habe meinem Pflichtgefühl einiges geopfert, darunter Auch diesen Genuß. Es gab Leute, die alle ihre Überredungskunst aufboten, um mich zu bewegen, eine der armen Familien des Ortes zu unterstützen. Da ich nichts zu tun hätte - denn Müßiggang sei aller Laster Anfang -, könnte ich mir doch einmal damit die Zeit vertreiben! Als ich jedoch bereit war, ihrem Wunsch zu willfahren und ihrem Seelenheil zuliebe einigen armen Leuten das Leben in jeder Hinsicht so angenehm zu machen wie mir selbst, ja sogar so weit ging, ihnen das anzubieten, zogen sie es alle ohne Ausnahme und ohne
    Zögern vor, arm zu bleiben.

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