Walden Ein Leben mit der Natur
ich zur Reife brachte, und sie hatten für mein Gefühl einen Duft wie jede andere edle Frucht; ich bewahrte sie solange wie möglich in Tücher gehüllt auf. Um die uralte, unentbehrliche Kunst des Brotbackens zu studieren, zog ich alle zu Gebote stehenden Gewährsleute zu Rate. Sie führten mich bis in die primitive Zeit der ersten Erfindung des ungesäuerten Brotes zurück, als die Menschen von Fleisch und Nüssen zum erstenmal zu dieser milden, verfeinerten Kost übergingen. Und über das zufällige Sauerwerden des Teiges, das, wie man annimmt, zur Entdeckung des Gärungsprozesses führte, und die verschiedenen Gärungsverfahren, gelangte ich allmählich zu unserem »guten, würzigen, gesunden Brot« -
dieser Stütze des Lebens. Die Hefe, vielfach die Seele unseres Brotes genannt, der Spiritus in seinem Zellgewebe, die wie das Vestalische Feuer gehütet und einst wohl in einer Flasche mit der »Mayflower« herübergebracht wurde, um sich ihrerseits über Amerika auszubreiten, und ihr Einfluß steigt noch immer, schwillt an, überschwemmt in Getreidefluten das Land - ich besorgte sie mir regelmäßig und gewissenhaft im Ort, bis ich
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eines Morgens schließlich alle Regeln vergaß und meine Hefe verbrühen ließ. Dieser Zwischenfall klärte mich, diesmal auf analytischem, nicht auf synthetischem Wege, darüber auf, daß nicht einmal sie unentbehrlich ist, und ich habe seither gerne auf sie verzichtet. Obzwar mir die meisten Haus frauen ernstlich versicherten, ohne Hefe gebe es kein gutes, bekömmliches Brot, und ältere Leute mir einen schnellen Verfall meiner Körperkräfte voraussagten, befinde ich mich, nachdem ich ein Jahr lang ohne sie auskam, immer noch unter den Lebenden.
Und ich bin froh, der Belanglosigkeit entkommen zu sein, eine volle Flasche mit mir herumzutragen, die manchmal aufsprang und zu meinem Unbehagen ihren ganzen Inhalt in meine
Tasche ergoß. Einfacher und würdiger ist es, darauf zu verzichten. Der Mensch ist ein Lebewesen, das sich mehr als alle anderen den verschiedensten Witterungs- und
Lebensverhältnissen anpassen kann. Ich tat auch weder
Hirschhornsalz noch andere Alkalien in mein Brot, sondern machte es anscheinend so, wie es ein Rezept des Marcus
Porcius Cato zweihundert Jahre vor Christi Geburt vorschreibt:
»Panem depsticium sie facito. Manus mortariumque bene
lavato. Farinam in mortarium indito, aquae paulatim addito, subigitoque pulchre. Ubi bene subegeris, defingito, coquitoque sub testu.« Was ungefähr so zu verstehen ist: »Geknetetes Brot mache man folgendermaßen: Man wasche gut Hände und Trog. Gebe das Mehl in den Trog, füge nach und nach Wasser zu und knete tüchtig. Wenn es gut geknetet ist, forme man es und backe es zugedeckt.« Das heißt, in einer Backform. Von Hefe keine Rede. Aber ich machte nicht immer von dieser
»Stütze des Lebens« Gebrauch. Es gab eine Zeit, in der ich, meines leeren Geldbeutels wegen, über einen Monat kein Brot zu sehen bekam.
In diesem Land des Roggens und des Maises könnte jeder
Neuengländer leicht selbst anbauen, was er zum Brotbacken braucht, und wäre nicht auf entlegene, unsichere Märkte angewiesen. Aber wir sind so weit von jeder Einfachheit und Unabhängigkeit entfernt, daß in Concord frisches Maismehl nur selten erhältlich ist. Gröberes Maismehl und Maisgrieß werden
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überhaupt kaum verwendet. Der Farmer verfüttert das eigene Getreide gewöhnlich an Rinder und Schweine und kauft sein Mehl für teures Geld im Laden, wo es bestimmt nicht
bekömmlicher ist. Ich sah, daß ich bequem ein oder zwei Scheffel Roggen und Mais anbauen konnte, denn Roggen
gedeiht im schlechtesten Boden, und Mais erfordert auch nicht gerade den besten. Die Körner konnte ich in einer Handmühle mahlen und war so weder auf Reis noch auf Schweinefleisch angewiesen. Brauchte ich konzentrierte Süße, so konnte ich aus Kürbissen oder aus roten Rüben einen sehr guten Sirup herstellen, wie ich durch einige Experimente entdeckte.
Übrigens gestaltete sich die Sache noch einfacher, als ich einige Ahornbäume pflanzte; in der Zeit ihres Heranwachsens konnte ich mir mit weiteren als den oben erwähnten
Ersatzmitteln helfen. »Denn«, wie unsere Vorfahren sangen,
»glauben wir, Süßes kosten zu müssen,
ziehn wir’s aus Kürbis, aus Rüben und Nüssen.«
Um schließlich zu Salz, dem gewöhnlichsten aller Gewürze, zu kommen, hätte sich eine günstige Gelegenheit geboten, einmal das Meer aufzusuchen. Verzichtete ich aber
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