Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
kräftige Nahrung für mich nicht notwendig, weil ich nicht hart arbeite; mein Lebensunterhalt koste mir darum so gut wie nichts. Er aber wolle Tee, Kaffee, Butter, Milch und Ochsenfleisch verzehren und müsse angestrengt schaffen, um solche Ausgaben bestreiten zu können. Die harte Arbeit verlange wieder kräftige Kost, um den Kräfteverbrauch im Körper zu ersetzen – kurzum: das alles sei so breit wie lang, oder vielmehr breiter als lang, denn er sei unzufrieden und setze obendrein seine Gesundheit bei dem Handel aufs Spiel. Als John Field nach Amerika auswanderte, hatte ihn aber gerade die Aussicht gelockt, dort an jedem Tage Tee, Kaffee und Fleisch genießen zu können. Und doch ist nur dort das echte Amerika, wo man in aller Freiheit sein Leben derart gestalten kann, daß man ohne diese Dinge auszukommen vermag, wo der Staat sich nicht bemüht, Sklaverei, Krieg und andere zwecklose Ausgaben zu unterstützen, welche direkt oder indirekt durch den Gebrauch dieser Dinge hervorgerufen werden. Ich sprach absichtlich zu ihm, als ob er ein Philosoph wäre oder einer sein möchte. Meinetwegen könnte man gern alle Wiesen der Erde in ihrem natürlichen Zustande lassen,wenn dadurch der Anfang zur Erlösung der Menschheit gemacht würde. Um zu wissen, was der eigenen Kultur am besten frommt, braucht man keine Geschichte zu studieren. Doch, o weh! Der Kultur eines Irländers muß man schon mit einer Sumpfhacke zu Leibe gehen. Ich sagte John Field, daß er für seine Arbeit im Moor dicke Stiefel und derbe Kleider gebrauche, die obendrein bald schmutzig und abgenutzt seien. Ich dagegen trüge leichte Schuhe und dünne Kleider, bezahle dafür kaum halb so viel wie er und dabei denke er vielleicht noch, ich sei wie ein Herr gekleidet! (Das war übrigens nicht der Fall!) Ich könne, so fuhr ich fort, in ein paar Stunden, wenn ich nur wolle, so viel Fische fangen, daß ich für zwei Tage daran genug hätte, und das sei obendrein keine Arbeit, sondern ein Vergnügen. Ich könne in ein paar Stunden Geld genug verdienen, um eine ganze Woche damit hauszuhalten. Wenn er mit seiner Familie einfach leben wolle, so möchte er mit Kind und Kegel im Sommer vergnüglich Heidelbeeren pflücken. Seufzend hörte John meine Worte an, sein Weib blickte, die Hände in die Hüften gestützt, starr vor sich hin und beide schienen zu überlegen, ob sie Kapital genug besäßen, ein solches Unternehmen anzufangen, oder Rechenkunst genug, um es durchzuführen. Für sie hieß es ohne Kompaß segeln. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie sie schließlich in den Hafen einlaufen würden. Und so glaube ich denn, daß sie noch immer mutig sich durchs Leben schlagen, Angesicht gegen Angesicht, daß sie es sich blutsauer werden lassen, weil sie nicht geschickt genug sind, des Lebens starke Säule mit einem fein zugespitzten Keil zu sprengen, um dann Stück vor Stück zu bewältigen. Sie glauben, sie müßten wie bei einer Distel hart zupacken! Doch sie kämpfen unter ungeheuer nachteiligen Verhältnissen... John Field – ach! er vegetiert dahin, ohne zu rechnen, und darum gibts nichts als Mißerfolg.
"Fischen Sie auch bisweilen?" fragte ich ihn. "O ja, wenn ich mal gerade nichts zu tun habe, fange ich ab und zu eine Portion guter Barsche." "Was nehmen Sie als Köder?" "Ich fange Weißfische mit Regenwürmern und benutze die Weißfische als Köder für die Barsche." "Es wird das beste sein, wenn Du Dich gleichaufmachst", sagte sein Weib mit glänzenden, hoffnungsfrohen Augen. Doch John blieb da.
Der Regen hatte inzwischen aufgehört und ein Regenbogen über den Wäldern im Westen versprach einen schönen Abend. So nahm ich denn Abschied. Als ich aus dem Hause trat, bat ich um ein Trinkgefäß. Ich wollte einen Blick in den Brunnen tun, um mein Bild von dieser Farm abzurunden. Doch, du lieber Himmel! Der Brunnen war seicht und versandet, das Seil war zerrissen und der Eimer für ewige Zeiten verschwunden, unterdessen hatte man das passende Kochgeschirr herausgesucht, Wasser augenscheinlich abgekocht und es nach langem Warten und gründlicher Überlegung dem Durstenden überreicht. Das Wasser hatte weder Zeit gehabt sich abzukühlen, noch sich zu setzen. Diese Sorte Haferschleim dient hier als Nährmittel, dachte ich bei mir, schloß die Augen, vermied durch einen weise dirigierten Tiefstrom den schmutzigen Bodensatz und trank aufs Wohl edler Gastfreundschaft so herzhaft wie nur möglich. Ich stehe meinen Mann, in Fällen, wo es sich darum handelt,
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