Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Zimmerdecke nieder, und schreckten nicht selten Besucher vom Eintritt ab. Morgens waren sie vor Kälte erstarrt, dann fegte ich einige von ihnen hinaus. Im übrigen gab ich mir nicht viel Mühe sie los zu werden. Im Gegenteil, ich fühlte mich geehrt, daß sie mein Haus als passenden Zufluchtsort betrachteten. Sie belästigten mich niemals ernstlich, obwohl sie bei mir im Bette schliefen. Allmählich verschwanden sie in – wer weiß welchen – Spalten, um dem Winter und der unsäglichen Kälte zu entgehen.
Wie die Wespen pflegte ich, bevor ich definitiv Winterquartier im November bezog, die Nordostseite des Walden zu besuchen. Sonnenstrahlen, die von dem Pechtannenwald und vom steinigen Ufer zurückgeworfen wurden, bildeten hier gleichsam den Kamin des Teiches. Es ist angenehmer und gesünder, sich so lange wie möglich von der Sonne anstatt von einem künstlichen Feuer wärmen zu lassen. So wärmte ich mich denn an der noch glühenden Asche, die der Sommer – wie ein Jäger, der fortzog – zurückgelassen hatte.Als ich mit dem Bau meines Kamins begann, studierte ich das Maurerhandwerk. Da meine Ziegelsteine aus zweiter Hand gekauft waren, mußten sie zunächst mit einer Mauerkelle gereinigt werden, Ich gewann dadurch genauere Kenntnisse über die Qualität der Ziegel und Mauerkellen, als man durchschnittlich besitzt. Der Mörtel an den Steinen war fünfzig Jahre alt und sollte angeblich noch immer härter werden. Das ist jedoch nur eine jener Phrasen, die von den Menschen mit Vorliebe nachgeplappert werden, einerlei ob sie wahr sind oder nicht. Solche Redensarten werden selbst härter und hängen sich im Verlauf der Zeit immer fester an, so daß gar manche Schläge mit der Kelle oder mit der Keule notwendig sein würden, um einen alten, superklugen Hansnarren davon zu säubern. Viele Dörfer Mesopotamiens sind aus vorzüglichen Ziegelsteinen gebaut, die aus den Ruinen Babylons, mithin aus zweiter Hand, stammten, und der Mörtel, der an diesen Steinen haftet, ist älter und wahrscheinlich noch härter. Doch abgesehen davon: ich war erstaunt über die eigenartige Stärke des Stahls, der so viele energische Hiebe austeilen konnte ohne sich abzunutzen. Da meine Ziegelsteine zuvor bei einem Kamin verwendet waren (Nebukadnezars Name war allerdings nicht auf ihnen eingemeißelt), suchte ich aus dem Vorrat möglichst viele Ziegel heraus, um Mühe und Verlust zu vermeiden, füllte die Räume zwischen den Ziegeln mit Steinen vom Teichufer aus, und gebrauchte Teichsand zum Mörtel. Wegen ihrer großen Wichtigkeit für das Haus wurde diese Feuerstelle sehr bedachtsam gebaut. Ja, ich arbeitete recht langsam daran. Obwohl ich bereits früh morgens mit dem Aufbau begann, konnte eine Reihe Ziegelsteine, die nur ein paar Zoll über den Boden sich erhob, mir während der Nacht als Kissen dienen. Soweit ich mich erinnern kann, bekam ich davon keinen steifen Hals. Der war schon älterer Herkunft. Am diese Zeit wohnte nämlich vierzehn Tage lang ein Dichter bei mir und da bot die Raumfrage die einzige und große Schwierigkeit. Er brachte sein Messer mit, obwohl ich selbst zwei besaß. Die pflegten wir zu reinigen, indem wir sie in die Erde stachen. In die Arbeit des Kochens teilte er sich mit mir. Es machte mir Freude, mein Werk allmählichso zweckentsprechend und festgefügt wachsen zu sehen, und ich dachte im stillen: Was lange währt, wird gut und dauerhaft. Der Kamin ist gewissermaßen ein selbstständiges Gebäude, das auf dem Erdboden steht und durch das Haus himmelwärts sich erhebt. Selbst wenn das Haus abgebrannt ist, steht er noch bisweilen da und dokumentiert seine Wichtigkeit und Unabhängigkeit. Der Kaminbau fand am Ausgang des Sommers statt. Jetzt war es November.
Der Nordwind hatte schon begonnen den Teich abzukühlen, doch erst nach vielen Wochen war er damit fertig, denn der Walden ist sehr tief. Als ich anfing abends ein Feuer anzumachen – damals, als das Haus noch nicht beworfen war – zog der Rauch vorzüglich durch den Kamin ab, weil so viele Spalten zwischen den Brettern sich befanden. Dennoch verbrachte ich manch fröhlichen Abend in dem kühlen, luftigen Zimmer innerhalb der ungeglätteten, braunen Bretter und unter einer Decke, deren Balken noch mit Rinde bedeckt waren. Nachdem das Haus Bewurf erhalten hatte, machte es meinen Augen nicht mehr so viel Freude, obwohl ich gestehen muß, daß es wohnlicher geworden war. Sollte nicht jedes Zimmer, in welchem Menschen wohnen, so hoch sein,
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