Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
barer Münze, und schickt die Beeren nach Boston oder New York zum Verkauf. Dort werden sie gepreßt und gequetscht, um den Geschmack der dortigen Naturliebhaber zu befriedigen. So reißen Schlächter den Büffeln nur die Zunge heraus und lassen im übrigen diese wilden Pflanzen der Prärien elend zugrunde gehen. Der Berberitze gleißende Frucht diente ebenfalls nur meinen Augen als Nahrung. Doch sammelte ich einen kleinen Vorrat wilder Äpfel zum Dämpfen, die der Besitzer oder der Wandersmann übersehen hatte. Als die Kastanien reif waren, legte ich einen halben Scheffel davon für den Winter zurück. Es machte mir großes Vergnügen, die damals endlosen Kastanienwälder Lincolns zu durchstreifen – jetzt schlafen sie ihren langen Schlaf unter der Eisenbahn – den Sack auf der Schulter und den Stock in meiner Hand, mit dem ich die rauhen Hülsen entfernte, denn ich wartete nicht den Frost ab. Es rauschte im Laub und laute Vorwürfe ertönten vom roten Eichhörnchen und von der Dohle, deren halbverzehrte Nüsse ich bisweilen stahl, weil die von ihnen ausgesuchten Hülsen mit Sicherheit gute Früchte enthielten. Gelegentlich kletterte ich auch auf einen Baum und schüttelte die Zweige. Kastanien wuchsen auch hinter meinem Hause, und ein hoher Baum dieserArt, der es fast überschattete, glich zur Blütezeit einem großen Strauß, der die ganze Nachbarschaft mit Duft erfüllte. Scharenweise kamen früh morgens die Dohlen herbei und schälten die Früchte aus den Hülsen, ehe sie herausfielen. Willig überließ ich ihnen diese Bäume und besuchte die entfernter gelegenen Wälder, die nur aus Kastanienbäumen bestanden. Diese Früchte gaben mir, solange ihr Vorrat reichte, einen guten Ersatz für Brot. Doch könnte man vielleicht noch manch anderes Ersatzmittel finden. Als ich eines Tages nach Regenwürmern grub, fand ich die Erdnuß ( Apios tuberosa ) an ihrem Faden, die Kartoffel der Ureinwohner, eine Art fabelhafter Frucht. Ja, ich wußte nicht einmal genau, ob man mir erzählt habe, daß ich sie in der Kindheit gegraben und gegessen habe, oder ob das nur ein Traum gewesen sei. Seitdem habe ich oft ihre gekräuselte, rote, sammetartige Blüte gesehen, die von den Stengeln anderer Pflanzen getragen wurde, ohne daß ich wußte, daß sie der Erdnuß angehöre. Inzwischen hat die Kultur sie fast gänzlich ausgerottet. Sie hat einen süßlichen Geschmack (ähnlich wie die Kartoffel, die vom Frost gelitten hat) und mundete mir gekocht besser als geröstet. Durch diese Knollengewächse schien die Natur leise zu versprechen, in Zukunft ihre eigenen Kinder großzuziehen und sie hier einfach zu ernähren. Heute, in der Epoche gemästeter Viehherden und wogender Kornfelder ist diese bescheidene Wurzel, die einst das Totem seines Indianerstammes war, ganz in Vergessenheit geraten, oder nur durch ihre blühenden Ranken bekannt. Sollte aber die Natur hier noch einmal in ungezähmter Freiheit herrschen, dann werden tausend und abertausend Feinde das zarte und üppige englische Korn vernichten. Ohne Menschenhilfe wird dann vielleicht die Krähe das letzte Saatkorn gen Südwesten zu Manito's großem Kornfeld tragen, dorthin, von wo sie einst ein Körnchen gebracht haben soll. Und dann wird die jetzt fast ausgerottete Erdnuß wieder aufleben, trotz Frost und Wildernis, als autochthon sich bewähren und ihre alte Bedeutung und Würde als Ernährerin eines Jägervolkes aufs neue betätigen. Irgend eine indianische Ceres oder Minerva muß sie erfunden und der Menschheit zum Geschenk gemacht haben. Undwenn hier das Reich der Poesie einmal beginnt, dann werden ihre Blüten und ihre Wurzelknollen auf unseren Kunstwerken vielleicht dargestellt werden.
Schon am ersten September hatte ich über den Teich hin zwei oder drei kleine Ahornbäume gesehen, welche etwas unterhalb der Stelle, wo die weißen Espenstämme auseinander wichen, nahe am Wasser gleichsam auf einem Vorgebirge standen und im schönsten Scharlachrot leuchteten. Ach, wie manche Geschichte erzählte ihre Farbe! Von Woche zu Woche kam allmählich der Charakter jedes Baumes mehr zum Vorschein, und sich selbst bewundernd blickten alle in den glatten Spiegel des Sees. Jeden Morgen ersetzte der Direktor dieser Galerie ein altes Bild an der Wand durch ein neues, das noch vollendeter war an Leuchtkraft und Farbenharmonie.
Wespen kamen im Oktober zu Tausenden nach meiner Hütte, als ob hier ihr Winterquartier sei. Sie ließen sich innen an den Fenstern und oben an der
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