Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
gelichtet werden, die dicht nebeneinander zu wachsen pflegen.
Die Hasen (Lepus americanus) waren sehr zutraulich. Einer hatte während des ganzen Winters sein Lager unter meinem Hause und war nur durch den dünnen Fußboden von mir getrennt. An jedem Morgen, wenn ich mich zu rühren begann, erschreckte er mich durch sein schnelles Ausreißen. Dabei stieß er in der Eile mit seinem Kopf gegen die Bretter des Fußbodens: Bum, bum, bum! In der Abenddämmerung kamen die Hasen zu meiner Tür und knabberten an den Kartoffelschalen, die ich hinausgeworfen hatte. Ihre Farbe glich der des Bodens so sehr, daß man sie, wenn sie ruhig dasaßen, kaum bemerken konnte. Saß einer regungslos vor meinem Fenster, so war es mir nur zeitweise möglich, ihn zu erkennen. Öffnete ich dann abends meine Tür, so liefen sie quiekend und lärmend hurtig davon. Sah ich sie in der Nähe, so erregten sie nur mein Mitleid.Eines Abends saß einer nur etwa zwei Schritt von mir entfernt vor meiner Tür. Anfangs zitterte er vor Furcht, wollte aber auch nicht das Feld räumen. Ein armer, winziger Gesell wars, mager und knochig, mit zottigen Ohren und spitzer Schnauze, mit kleinem Schwanz und dünnen Pfoten. Er sah aus, als ob die Natur darauf verzichtet habe, weiterhin noch edele Rassen hervorzubringen und gerade vor dem Bankerotte stehe. Seine großen Augen sahen zwar jung, aber ungesund, beinahe wassersüchtig aus. Ich machte einen Schritt vorwärts und – siehe da! Mit elastischen Sprüngen eilte er über die Schneekruste dahin, reckte und dehnte Körper und Glieder zu anmutiger Länge, so daß bald zwischen mir und ihm der Wald lag. So war es doch das wilde freie Tier, das seine Kraft und die Würde der Natur bewies. So schlank war es nicht ohne Grund. Das also war seine Natur... Lepus levipes – Leichtfuß, wie manche glauben.
Was ist ein Land ohne Hasen und Rebhühner? Sie gehören zu den einfachsten, eingeborenen, animalischen Produkten, zu jenen alten und ehrwürdigen Familien, welche das Altertum so gut kannte wie die Neuzeit. An Farbe und Substanz sind sie ein Teil der Natur selbst, den Blättern und dem Erdboden und miteinander verwandt. Das eine ist geflügelt, das andere vierbeinig. Wenn man einen Hasen oder ein Rebhuhn aufscheucht, denkt man kaum an ein wildes Tier, sondern an etwas so Natürliches, Vertrautes, wie ein raschelndes Blatt. Das Rebhuhn und der Hase werden sicher immer wieder sich vermehren, einerlei was für Revolutionen kommen mögen. Sie sind die echten Urbewohner des Landes. Wird der Hochwald gelichtet, so bietet das frisch emporwachsende Unterholz ihnen eine Zufluchtsstätte. Das Land muß allerdings armselig sein, das einem Hasen keine Heimat gewährt. In unseren Wäldern gibt es Rebhühner und Hasen in großer Zahl. Wo immer ein Moor ist, kann man ihre Spuren finden. Und überall sieht man Fallen aus Zweigen und Schlingen aus Roßhaar, die irgend ein Kuhhirt aufstellte.
Der Teich im Winter
Nach einer stillen Winternacht erwachte ich mit dem Gefühl, daß irgend eine Frage mir gestellt sei, die ich im Schlaf vergeblich zu beantworten versuchte... Was – Wie – Wann – Wo? ... Doch nun blickt die erwachende Natur, in der alle Geschöpfe leben, in meine breiten Fenster mit heiterem, zufriedenem Antlitz herein. Auf ihren Lippen schwebt keine Frage. Ich erwachte zu einer Frage, die bereits beantwortet war, zu der Natur und dem lichten Tag. Hoch lag der Schnee auf dem Erdboden, mit jungen Tannen gesprenkelt. Selbst der Hügelabhang, auf dem mein Haus steht, schien mir zuzurufen: Vorwärts! Die Natur richtet keine Fragen an uns, und beantwortet auch keine, die wir Sterblichen an sie stellen. Ihr Plan ist schon vor langer, langer Zeit gefaßt. "O Prinz, bewundernd schauen unsere Augen auf das herrliche, mannigfache Schauspiel des Weltalls und teilen es der Seele mit. Sicherlich verhüllt die Nacht einen Teil dieser glorreichen Schöpfung. Doch kommen wird der Tag, der uns dies gewaltige Werk enthüllt, das von der Erde in ätherische Gefilde sich erstreckt."
Wohlan denn, zur Morgenarbeit! Zunächst ergreife ich Axt und Eimer und suche Wasser, falls das kein frommer Wunsch geworden ist. Nach einer kalten und schneeigen Nacht muß man schon eine Wünschelrute anwenden, um es zu finden. In jedem Winter erstarrt die flüssige, zitternde Oberfläche des Teiches, die so empfindlich für jeden Lufthauch war, die alles Licht und jeden Schatten widerspiegelte, His zur Tiefe von 1-1½ Fuß und kann nun die
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