Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
tief tat sich ein dunkler Abgrund auf
"Und auch so breit; ein weites Wasserbett..."
Nehmen wir nun den kleinsten Durchmesser des Fynesees und wenden ihn auf den Waldenteich an, der, wie wir bereits sahen, im Vertikaldurchschnitt bereits wie ein flacher Teller erscheint, so ergibt sich, daß der Fynesee viermal seichter ist. Dieses nur nebenbei über die erhöhten Schrecken des gähnenden Fyneseeschlundes. Zweifellos nimmt manch lachendes Tal mit seinen ausgedehnten Maisfeldern einen geradeso "furchtbaren Abgrund" ein, aus welchem das Wasser verschwunden ist. Es gehört allerdings der Einblick und der Fernblick des Geologen dazu, um die harmlosen Bewohner von dieser Tatsache zu überzeugen. Oft kann das forschende Auge die Ufer eines Ursees in den niedrigen Hügeln des Horizontes entdecken, und keine spätere Erhebung der Ebene war notwendig, um ihre Geschichte zu verheimlichen. Wie die Arbeiter, welche Landstraßen ausbessern, wissen, ist es am leichtesten, Bodeneinsenkungen an den Pfützen nach einem Regenschauer zu erkennen. Mit kurzen Worten: Hat die Phantasie auch noch so kleinen Spielraum zur Verfügung – sie taucht tiefer oder steigt höher als die Natur. So wird man vielleicht dereinst finden, daß die Tiefe des Ozeans verglichen mit seiner Breite sehr unbeträchtlich ist.
Da ich meine Vermessungen durch das Eis hindurch machte, konnte ich die Bodenformation mit größerer Genauigkeit bestimmen als dies bei Seehäfen geschehen kann, denn diese frieren nicht zu. Ich wurde durch die allgemeine Regelmäßigkeit des Bodens überrascht. Im tiefsten Teil gibt es eine mehrere Morgen bedeckende Fläche, welche ebener ist als irgend eine der Sonne, dem Winde und dem Pfluge ausgesetztes Feld. So zum Beispiel schwankte auf einer beliebig gewählten Linie die Tiefe nur um einen Fuß auf ungefähr einhundertundvierzig Meter. Meistens konnte ich in der Nähe der Teichmitte den Tiefenunterschied auf je hundert Fuß nach jeder Richtung hin bis auf drei oder vier Zoll abschätzen. Manchmal hört man von uns gefährlichen Löchern sprechen; die selbst in solch ruhigen, sandigenTeichen wie Walden vorkommen sollen. Doch wirkt das Wasser unter solchen Verhältnissen ausgleichend auf alle Unregelmäßigkeiten des Bodens. Die Regelmäßigkeit des Grundes, seine Übereinstimmung mit den Ufern und mit der Lage der benachbarten Hügel war so vollkommen, daß ein entferntes kleines Vorgebirge sich bei den Vermessungen den ganzen Teich hindurch verfolgen ließ. Seine Richtung konnte durch die Beobachtung des gegenüberliegenden Ufers bestimmt werden. Das Kap ward zur Sandbank und zur Untiefe, das Tal zur Bucht und ein Abgrund zu tiefem Wasser.
Nachdem ich eine Skizze (l:2000) vom Teich entworfen und meine Vermessungen – mehr als hundert – eingetragen hatte, konnte ich folgende, auffallende Beobachtung machen. Da ich sah, daß die Zahl, welche die größte Tiefe bezeichnete, augenscheinlich in der Mitte der Karte sich befand, legte ich ein Lineal erst der Länge und dann der Breite nach über meine Skizze, und fand zu meinem Erstaunen, daß die Linie der größten Länge die Linie der größten Breite genau im Punkte der größten Tiefe schnitt, obwohl die Mitte des Teiches fast eben war, obwohl die Außenlinien des Teiches durchaus keine Regelmäßigkeit zeigten und bei der Messung der größten Länge und Breite die Buchten mitgerechnet waren. Da sagte ich zu mir: Wer weiß, ob sich dieser Hinweis nicht ebensogut auf den tiefsten Teil des Ozeans wie auf Teich oder Pfütze bezieht? Gilt nicht das gleiche Prinzip auch in bezug auf die Höhe der Berge, wenn man sie als Gegenstück der Täler betrachtet? Wir wissen, daß der Hügel nicht an seinem schmalsten Teil am höchsten ist.
Von fünf Buchten zeigten drei – d. h. alle, die ich untersuchte – eine Sandbank quer vor ihrem Eingang, so daß die Bucht nicht nur eine horizontale, sondern auch eine vertikale Ausbreitung des Wassers in das Land darstellt. Sie scheint ein Wasserbecken oder ein selbständiger Teich zu sein. Die Richtung der beiden Vorgebirge gibt den Verlauf der Sandbank an. Auch jeder Hafen an der Meeresküste hat vor seiner Einfahrt seine Sandbank. Je weiter die Mündung der Bucht im Vergleich zu ihrer Länge war, desto tiefer war das Wasser über der Sandbank im Vergleich zu dem Wasser im Becken.Sind also Länge und Breite einer Bucht zugleich mit dem Charakter des umliegenden Ufers gegeben, so hat man Anhaltspunkte genug, um eine
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