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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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meinem speziellen Beruf wahrscheinlich nicht mit Absicht und Überlegung untreu werden, wenn ich durch Wohltaten, wie sie die menschliche Gesellschaft von mir verlangt, das Universum vor völligem Untergange retten könnte. Ich glaube ferner, daß eine ähnliche, aber viel größere Sündhaftigkeit an einem anderen Ort dasjenige ist, was die Welt jetzt zusammenhält. Doch ich wünsche nicht, zwischen irgend einem Menschen und seinem Talent zu stehen. Demjenigen aber, der diese Arbeit, die ich ablehne, mit ganzem Herz, mit ganzer Seele und mit jedem Atemzug sich widmet, rufe ich zu: Fahre fort, selbst wenn die Welt es "Übeltun" heißt. Das wird sie übrigens wahrscheinlich tun.
     
    Ich bin weit davon entfernt, zu glauben, daß ich in diesem Falle eine Ausnahme mache. Ohne Zweifel werden viele meiner Leser sich auf die gleiche Weise verteidigen. Für manchen Zweck – ich will nicht behaupten, daß meine Nachbarn darin etwas Gutes sehen – kann man unbedingt keinen besseren Kerl dingen als mich. Auf welchem Gebiete ich mich jedoch besonders auszeichne, möge mein Arbeitgeber selbst ausfindig machen. Das Gute (in des Wortes gewöhnlicher Bedeutung), das ich tue, muß abseits von meinem Pfade liegen, muß zum größten Teil unabsichtlich geschehen. Die Menschen aber sagen: Fange an, wo Du bist und wie Du bist, stecke Dir keine ehrgeizigeren Ziele und tue Gutes mit bewußter Güte. Wenn ich überhaupt in diesem Tone predigen wollte, so würde ich sagen: Fanget an gut zu sein. Als ob die Sonne sich ausruhen dürfte, wenn sie den Mond oder einen Stern sechster Größe mit ihrem Licht versorgt hat, als ob sie nun wie Hans Biedermeier herumspazieren, in jedes Hüttenfenster lugen, Mondsüchtige inspirieren, Fleisch verderbenund die Dunkelheit erhellen könnte, anstatt mählich ihre wohltuende, belebende Wärme zu steigern und dermaßen zu leuchten, daß kein Sterblicher ihr ins Antlitz zu blicken vermag! Gleichzeitig aber wandelt sie ihre Bahn um die Welt und tut Gutes, oder, wie eine wahrere Philosophie lehrt: die Welt wandert um sie herum und empfängt Wohltaten. Als Phaeton seine himmlische Herkunft durch Wohltaten zu beweisen wünschte, kam er, als er den Sonnenwagen nur einen Tag lang lenkte, aus dem Geleise. Er verbrannte mehrere Häuserviertel in den tiefer gelegenen Straßen des Himmels, versengte die Oberfläche der Erde, trocknete alle Quellen aus und schuf die große Wüste Sahara. Da schleuderte ihn schließlich Jupiter durch seinen Donnerkeil häuptlings auf die Erde und aus Kummer über seinen Tod schien die Sonne ein Jahr lang nicht.
     
    Nichts riecht so schlecht wie falsche Güte. Es ist menschliches, es ist göttliches Aas. Wenn ich mit Sicherheit wüßte, daß ein Mensch nach meinem Hause käme mit der bewußten Absicht, mir "wohl zu tun", so würde ich bloß aus Angst, er könne mir eine seiner Wohltaten erweisen – etwas von seinem virus meinem Blute einverleiben – vor ihm davonlaufen, wie vor dem Samum, dem trockenen, brennenden Wüstenwind Afrikas, der Nase, Mund, Ohren und Augen mit Staub füllt, bis man erstickt. Nein! In diesem Falle will ich lieber auf natürliche Weise Böses erdulden. Ein Mensch ist deswegen noch nicht gut, weil er mir Nahrung gibt, wenn ich am Verhungern, weil er mich wärmt, wenn ich am Erfrieren bin, oder weil er mich aus einer Grube zieht, vorausgesetzt, daß ich je in eine hineinfallen sollte. Ich kann Euch einen Neufundländer vorführen, der das gleiche tut. Philanthropie ist nicht Nächstenliebe im weitesten Sinne. Howard ist in seiner Art sicherlich ein außerordentlich freundlicher und würdiger Herr; er hat auch seinen Lohn gefunden. Was sind aber – um einen Vergleich zu gebrauchen – hundert Howards uns , wenn ihre Philanthropie nicht imstande ist, uns in unseren sogenannten besten Verhältnissen, gerade dann, wenn wir sie am dringendsten nötig haben, zu helfen? Ich habe niemals von einer philanthropischen Versammlung gehört, in welcher der Vorschlaggemacht wurde, mir und meinesgleichen irgend eine Wohltat zu erweisen.
     
    Indianer, die bereits zum Verbrennen an die Pfähle gebunden waren, bereiteten meist den Jesuiten dadurch eine arge Enttäuschung, daß sie ihren Folterknechten neue Folterqualen vorschlugen. Da sie körperliche Schmerzen verachteten, kam es manchmal vor, daß sie auch über jeden von den Missionären gespendeten Trost erhaben waren, und das Gebot: "Behandle Deine Mitmenschen so, wie Du von ihnen behandelt zu sein wünscht", hatte weniger

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