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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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verleihe. Seine Güte soll nicht eine transitorische Handlung, nicht Stückwerk sein, sondern ein beständiges Überströmen, das ihn nichts kostet und das ihm nicht zum Bewußtsein kommt. Liebe muß eine Menge von Sünden verdecken können. Der Philanthrop umgibt nur zu oft die Menschheit durch die Erinnerung an seinen eigenen überwundenen Kummer wie mit einem Dunstkreis und nennt das "Sympathie". Wir sollen unseren Mut mitteilen, nicht unsere Verzweiflung, unsere Gesundheit und unser Behagen und nicht unsere Krankheit. Im Gegenteil, Krankheitskeime zu verschleppen, sollen wir ängstlich vermeiden. Von welch südlichen Ländern schallen Klagetöne an unser Ohr? In welchen Zonen wohnen die Seiden, denen wir Erleuchtung senden möchten? Wenn irgend etwas den Menschen plagt, so daß er seinen Funktionen nicht nachkommen kann, selbst wenn er nur ein wenig Schmerz im Bauche hat – denn dort ist der Sitz der Sympathie– beginnt er ohne Zaudern die Welt zu reformieren. Da er selbst ein Mikrokosmos ist, entdeckt er – und zwar ist das eine geniale Entdeckung, zu der ein Mann wie er nötig war –, daß die Welt unreife Äpfel gegessen hat. In seinen Augen ist die Erdkugel überhaupt nur ein großer, unreifer Apfel, und schon der Gedanke, daß des Menschen Kinder ihn anbeißen könnten, bevor er reif ist, bedeutet eine schreckliche Gefahr. So wird seine drastische Philanthropie stracks den Eskimo und den Patagonier erkiesen und sich der übervölkerten indischen und chinesischen Dörfer erbarmen. Hat er ein paar Jahre dieser philanthropischen Tätigkeit gewidmet, während welcher die treibenden Mächte der Welt ihn doch zu ihremeigenen Zweck benutzen, dann ist er von seiner Dyspepsie kuriert. Der Erdball zeigt ein blasses Rot auf einer oder auf beiden Wagen, als ob nun die Zeit der Reife begonnen hätte, das Leben verliert seinen bitteren Beigeschmack und wird aufs neue süß und bekömmlich. Ich habe nie von größeren Freveln geträumt als ich beging. Ich habe nie einen Menschen gekannt, noch werde ich je einen kennen, der schlechter war als ich selbst.
     
    Ich glaube, daß die ganze Trübsal des Weltverbesserers nicht durch die Sympathie mit seinen im Unglück befindlichen Mitmenschen, sondern – mag er selbst Gottes heiligster Sohn sein – durch sein persönliches Leiden hervorgerufen wird. Doch, wenn er sein Leid vergißt, im Frühlingslicht sich badet, wenn die Morgensonne über sein Lager flutet: dann wird er seine hochherzigen Gefährten ohne Entschuldigung verlassen. (Wenn ich nicht gegen den Tabak eifere, so kommt das daher, weil ich ihn nie gekaut habe. Bekehrte Tabakkauer müssen auf diese Weise Buße tun, ich habe aber genug anderes Zeug gekaut, gegen das ich zu Felde ziehen könnte.) Wenn Du je in Versuchung kommst, an philanthropischen Bestrebungen teilzunehmen, so laß Deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, denn solches Wissen ist nicht der Mühe wert. Rette den Ertrinkenden und binde Deine Schuhbänder fein säuberlich. Laß Dir Zeit und fange mit einer freiwilligen Arbeit an.
     
    Der Verkehr mit den Heiligen hat unsere Sitten verdorben. Aus unseren Gesangbüchern hallt es melodisch wider: Gott, Dich klagen wir an! Gott, Deine Güte währet ewiglich!
     
    Man könnte beinahe sagen, daß selbst die Propheten und Erlöser mehr die Angst der Menschen beschwichtigt als ihre Hoffnung gestärkt haben. Nirgends findet sich eine einfache von Herzen kommende Äußerung darüber, daß das Leben Befriedigung gewährt, nirgends ist ein denkwürdiges Lob Gottes aufgezeichnet. Alles Gesunde, jeder Erfolg tut mir wohl, mag er noch so weit entfernt sein, noch so abseits vom Wege liegen. Alles Kranke, jeder Fehlschlag stimmt mich traurig, macht mich unglücklich, wieviel Sympathie ich auch mit ihm oder er mit mir haben mag. Wenn wir nun tatsächlich die Menschheitdurch echt indische, botanische, magnetische oder natürliche Mittel kurieren wollen, so wollen wir zunächst versuchen, selbst so einfach und gesund wie die Natur zu werden, die Wolken zu vertreiben, die unsere eigene Stirn überschatten und ein wenig mehr Leben in unsere Poren aufzunehmen. Begnüge Dich nicht damit, ein Armenpfleger zu sein, sondern strebe darnach, einer der würdigsten zu werden auf dieser Welt.
     
    Ich las im Gulistan oder im Blumengarten des Scheik Sadi von Schiras folgendes: "Sie richteten an einen weisen Mann die Frage: Von den vielen in Liedern besungenen Bäumen, die Gott der Herr hoch und schattenspendend erschaffen

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