Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Schubkarren und Pferde eine Abneigung vorhanden war. Andere Reisende, die vorüberrasselten, unterhielten sich mit lauter Stimme und verglichen mein Feld mit anderem, an dem sie vorübergekommen waren, so daß ich über die ackerbautreibende Welt unterrichtet wurde. Hier war ein Feld, das in Herrn Colemans Bericht nicht erwähnt war. Übrigens: wer schätzt den Wert jener Ernte, welche die Natur auf noch weniger gepflegten, von Menschen nicht verbesserten Feldern hervorbringt? Die Ernte an englischem Heu wird sorgfältig gewogen, der Gehalt an Feuchtigkeit, Silikaten und Pottasche wird sorgfältig berechnet. Doch in allen Gruben und eingetrockneten Gräben der Wälder, Wiesen und Moore wächst gar reiche und mannigfache Frucht – Menschen ernten sie allerdings nicht. Mein Feld war sozusagen ein Bindeglied zwischen bebauten und unbebauten Feldern. Wie es zivilisierte, halb' zivilisierte und wilde oder barbarische Länder gibt, so war mein Feld,, wenn auch nicht im schlimmen Sinne, ein halbzivilisiertes. Hier gab es Bohnen, die fröhlich in ihren wilden, primitiven Zustand zurückkehrten und meine Hacke spielte dazu den Kuhreigen für sie.
Ganz in meiner Nähe hochoben auf einem Birkenzweig singt eine braune Drossel oder – wie andere sie gern nennen – eine rote Sangdrossel den ganzen Morgen lang. Sie erfreut sich an meiner Gesellschaft und würde eines anderen Farmers Feld aufsuchen, wenn mein Feld nicht hier wäre. Während ich den Samen ausstreue ruft sie: "Wirf ihn – wirf ihn – deck ihn zu, deck ihn zu – reiß Unkraut aus – reiß Unkraut aus – reiß Ankraut aus!" Ich pflanzte hier jedoch keinen Mais und war vor ihrer Feindschaft sicher. Man fragt vielleicht voll Erstaunen, was ihre Salbaderei, ihre dilettantischen Paganini Kadenzen auf eine Saite oder auf zwanzig Saiten mit meinen Pflanzen zu tun haben, und doch würde man sie der Laugenasche oder dem Gips vorziehen. Diese Sorte Dünger war billig, wurde nicht untergepflügt und besaß mein volles Vertrauen.Während ich immer wieder frische Erde an die Bohnenreihen schaufelte, wühlte ich die Asche von Völkern auf, deren Geschichte nie geschrieben war, die aber in uralten Zeiten unter diesem Himmel wohnten. Ihre kleinen Kriegs- und Jagdgeräte wurden ans Licht der neuen Zeit befördert. Sie lagen unter anderen, natürlichen Steinen; einige von ihnen zeigten Spuren, daß sie von Indianerstämmen, andere, daß sie von der Sonne gebrannt waren. Auch Scherben von Vasen und Gläsern, die von den spätern Bebauern hierher gebracht waren, kamen zum Vorschein. Wenn meine Hacke klingend gegen die Steine stieß, gaben Wald und Himmel die Musik im Echo zurück; das war die Begleitung zu meiner Arbeit, welche mir also eine unmittelbare, unvergeßliche Ernte zeitigte. Es waren keine Bohnen mehr, die ich hackte – und ich war es nicht mehr, der sie hackte. Mit ebensoviel Mitleid wie Stolz gedachte ich – wenn ich überhaupt ihrer gedachte – meiner Bekannten, die sich zur Stadt begeben hatten, um sich ein Oratorium anzuhören. Der Geißmelker kreiste an sonnigen Nachmittagen (ja! manchmal schaffte ich den ganzen Tag) zu meinen Häupten: ein Stäubchen in meinem Auge oder im Auge des Himmels. Von Zeit zu Zeit stieß er schreiend hernieder, als ob der Himmel geborsten, in einen Trümmerhaufen verwandelt sei – doch blieb die Wölbung des Doms ohne Riß! Ja, diese kleinen Teufel bevölkern die Luft, legen ihre Eier auf den Erdboden, auf den nackten Sand oder auf Felsen und auf die Gipfel der Hügel, wo sie ab und zu gefunden werden. In ihrer schlanken Anmut gleichen sie dem Wellengekräusel, das der Teich gebiert, den Blättern, die der Wind emporhebt, damit sie durch den Himmel fliegen. Solche Ähnlichkeiten finden sich in der Natur. Der Falke ist der luftgeborene Bruder der Welle, über die er hinschwebt, die er beherrscht. Seine luftgefüllten Flügel gleichen den kleinen, noch nicht flügge gewordenen Schwingen des Meeres. Bisweilen sah ich auch ein Hühnerhabichtpaar, das hoch im Himmel seine Kreise zog, bald aufwärts schwebte, bald niederstieß, bald sich voneinander entfernte, bald sich näherte, als ob es die Inkarnation meiner eigenen Gedanken sei; oder ein Zug wilder Tauben erregte meine Aufmerksamkeit, die mit Windeseile und unterleicht vibrierendem Schreien von einem Wald zum andern zogen. Dann wieder brachte meine Hacke unter einem halbvermoderten Baumstumpf eine verträumte, unglücksschwangere, seltsam gefleckte Eidechse zum Vorschein: ein
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