Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
auch sagten, daß sie recht gern von Zeit zu Zeit einen Ausflug in den Wald machten, so kam ihnen diese Äußerung, das merkte ich nur allzu gut, nicht von Herzen. Rastlose, knechtschaffene Männer, die all ihre Zeit dazu verwendeten Geld zu verdienen oder zusammen zu halten, Geistliche, die über den Herrgott sprachen, als ob sie ein Monopol darauf besäßen, Doktoren, Rechtsanwälte, verdrießliche Hausfrauen, die ihre Nasen in Schrank und Bett steckten, sobald ich nicht zuhause war, – woher konnte sonst Frau P..... wissen, daß meine Bettücher nicht so rein waren wie ihre eigenen? – junge Leute, die nicht mehr jung waren und glaubten, es sei das sicherste, auf dem ausgetretenen Pfade der Berufsarten zu wandeln: – all diese Menschen gaben mir meistenteils zu verstehen, daß es unmöglich sei in meiner Lage viel Gutes zu tun. Ja, da liegt's! Ihnen schien das Leben voll Gefahren – doch wo ist Gefahr, wenn man nicht an sie denkt? – und darum hielten sie es für angezeigt, als verständige Menschen sorgfältig die sicherste Lageauszuwählen, dort wo Dr. B. ...im Notfall sofort zur Stelle war. Ihnen war die Stadt wirklich eine Com-munitas , eine Vereinigung zu Schutz und Trutz. Daß solche Leute nicht ohne Taschenapotheke zum Preißelbeerenpflücken ausgingen, ist selbstverständlich. Kurzum: wenn ein Mensch lebendig ist, schwebt er immer in Todesgefahr, obgleich man zugeben muß, daß die Gefahr um so geringer ist, je mehr er von vornherein scheintot ist. Der Mensch sitzt so viele Gefahren als er läuft. Schließlich besuchten mich auch Leute, die sich selbst den Titel Reformator beilegten. Das waren die widerlichsten von allen. Sie dachten, ich sänge ohne Unterlaß:
"Dies ist das Haus, das ich baute,
"Dies ist der Mann, der da wohnt in dem Haus, das ich baute." Sie wußten jedoch nicht, daß die dritte Zeile lautete:
"Dies sind die Leute, die plagen den Mann,
"Der da wohnt in dem Haus, das ich baute."
Ich hatte keine Angst vor Tierschindern , denn ich hatte keine Tiere, doch vor Menschenschindern hatte ich Angst.
Meistens machten mir jedoch meine Besucher Freude: Kinder, die kamen, um Beeren zu pflücken, Eisenbahnbeamte, die in sauberer Kleidung ihren Sonntagmorgen-Spaziergang machten, Fischer und Jäger, Dichter und Philosophen, kurz, alle ehrbaren Pilger, die tatsächlich die Stadt hinter sich ließen und um der Freiheit willen in die Wälder wanderten – für alle hatte ich den Gruß bereit: "Willkommen Engländer! Willkommen Engländer!" Denn mit dieser Nation hatte ich schon in Verkehr gestanden.
Das Bohnenfeld
Inzwischen warteten meine Bohnen, deren Reihen aneinander gelegt wohl an die sieben Meilen betrugen, mit Ungeduld aufs Sacken, denn die ersten waren schon beträchtlich ins Kraut geschossen, bevor die letzten gepflanzt wurden. Das ließ sich tatsächlich jetzt nicht länger hinausschieben. Wozu ich diese stetige, sorgfältige Herkulesarbeit en miniature verrichtete, weiß ich nicht. Ich fing an meine Reihen, meine Bohnen zu lieben, trotzdem ihrer mehr waren als ich gebrauchte. Sie fesselten mich an die Erde, und so erstarkte ich wie Antäus. Doch warum zog ich sie groß? Ja, das mag der Himmel wissen! Während des ganzen Sommers beschäftigte ich mich damit, diesen Teil der Erdoberfläche, der bisher nur Fünffingerkraut, Brombeeren, Beifuß und andere wildwachsende, süße Früchte und holde Blumen hervorgebracht hatte, mit Hülsenfrüchten zu befreunden. Was soll ich von den Bohnen lernen oder sie von mir? Ich Pflege sie, ich hacke sie, früh und spät beschäftigen sie mich. Das ist mein Tagewerk. Wie ein breites, schönes Blatt liegt das Feld vor meinen Blicken! Meine Mitarbeiter sind nicht nur Tau und Regen, welche diesen trockenen Boden wässern, mir hilft auch die Fruchtbarkeit des Bodens selbst, der zum größten Teil mager und abgenutzt ist. Meine Feinde sind Würmer, kühle Nächte und hauptsächlich Murmeltiere. Diese Tiere haben schon nahezu hundert Quadratfuß abgeknabbert. Wer gab mir aber auch ein Recht dazu, Beifuß und alles andere zu verjagen und den alten Kräutergarten zu vernichten? Die übrig gebliebenen Bohnen werden indessen bald zu kleberig für sie werden und in Zukunft neuen Feinden anheimfallen.
Ich kann mich noch ganz gut erinnern, wie ich im Alter von vierJahren durch diesen Wald, durch dieses Feld hier am Teichufer entlang zu meiner Heimatstadt gebracht wurde. Das ist eine der frühesten Erinnerungen, die in meinem
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