Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
hinaus; er saß am einen Ende des Bootes, ich am anderen. Viele Worte wurden allerdings nicht zwischen uns gewechselt, denn er war in den letzten Jahren taub geworden, doch bisweilen summte er einen Psalm vor sich hin, und das harmonierte ganz trefflich mit meiner Philosophie. Unser Verkehr erfreute sich infolgedessen einer nie getrübten Harmonie, und ich erinnere mich an ihn mit größerer Freude, als wenn er durch Gespräche aufrecht erhalten wäre. War niemand da, der mir Gesellschaft leisten konnte – das war gewöhnlich der Fall – dann weckte ich das Echo auf, indem ich mit dem Ruder an eine Seite des Bootes schlug. Wie der Menageriebesitzer die wilden Tiere, so erweckte ich die benachbarten Wälder, erfüllte sie mit Klängen, die immer weiter ihre Kreise zogen, bis ich schließlich jedem Waldtal und Hügelhang ein brummiges Knurren entlockt hatte.
An warmen Abenden saß ich oft im Boot, spielte die Flöte und sah wie der Barsch, der von mir bezaubert schien, um mich herumschwamm und wie der Mond über den gerippten, mit Waldestrümmern bedeckten Grund dahinwanderte. Einst pflegte ich voll Abenteuerlust mit einem Kameraden in dunklen Sommernächten nicht selten zu diesen Teich zu wandern. Wir zündeten dann nahe am Ufer ein Feuer an und glaubten, es würde die Fische anlocken,. Mit einem Bündel Würmer, die auf Fäden gezogen waren, fingen wir dann Bricken. Waren wir tief in der Nacht damit fertig, dann warfen wir die Feuerbrände wie Raketen hoch in die Luft und wenn sie in den Teich niederfielen, erloschen sie mit zischendem Laut, so daß wir uns plötzlich in tiefster Finsternis befanden. Dann pfiffen wir uns eins und zogen heim zu den Nestern der Menschen. Jetzt aber stand mein Haus am Teichesrand.
Manchmal blieb ich in der besten Stube bei Bekannten im Dorfso lange, bis die ganze Familie sich zurückgezogen hatte, kehrte dann heim in den Wald und widmete einige Stunden der tiefen Nacht – teilweise mit Rücksicht auf das nächste Mittagessen – bei Mondschein im Boot der Fischerei, während Eulen und Füchse mir ein Ständchen brachten und von Zeit zu Zeit der knarrende Schrei eines unbekannten Vogels ganz in meiner Nähe erklang. Solche Erlebnisse waren denkwürdig und von hohem Wert für mich ... Unbewegt lag das Boot auf dem vierzig Fuß tiefen Wasser, ungefähr fünfundsiebzig bis hundert Meter vom Ufer entfernt. Am mich herum tanzten Tausende kleiner Barsche und Weißfische, die mit ihren Schwänzchen im Mondlicht die Wasserfläche kräuselten, während ich mit einer langen, flächsernen Schnur mit geheimnisvollen nächtlichen Fischen, die vierzig Fuß tiefer wohnten, Bekanntschaft anknüpfte. Oder ich zog, wenn das Boot vor dem leichten Nachtwinde dahintrieb, eine sechzig Fuß lange Angelschnur durch den Teich und fühlte ab und zu, wie ein leises Zittern an ihr entlang lief, welches mir anzeigte, daß sich ans Ende der Schnur ein Stück Leben voll stumpfen, Ungewissen und blinden Begehrens heimlich heranschlich und schwerfällig einen Entschluß faßte. Mit seltsamem Erschauern spürte ich, zumal in dunklen Nächten, wenn die Gedanken mit unergründlichen und kosmogonischen Problemen in andere Sphären gewandert waren, dieses leichte Jucken, das meine Träume unterbrach und mich wieder mit der Natur verband. Ich dachte, daß ich meine Angel ebensogut in die Luft hinauswerfen könne, wie hinein in das kaum dichtere Element. So fing ich zwei Fische mit einer Angel.
Die Landschaft, die den Waldenteich umgibt, ist bescheiden und läßt sich, obwohl sie große Schönheiten aufweist, doch nicht als erhaben bezeichnen. Auch vermag sie den Menschen, der sie nicht häufig besucht oder am Ufer gewohnt hat, nicht sonderlich zu interessieren. Der Teich aber ist wegen seiner Tiefe und Klarheit so merkwürdig, daß er eine besondere Beschreibung verdient. Er ist eine klare und tiefe, grüne Quelle, welche eine halbe Meile lang ist, einunddreiviertel Meilen im Umkreis mißt und ungefähr einundsechzig und einen halben Morgen bedeckt: eine dauernde Quelle zwischen Tannenund Eichenwäldern, ohne Zufluß und ohne Abfluß außer durch Wolken und Verdunstung. Die umliegenden Hügel steigen vom Wasser aus steil bis zur Höhe von vierzig oder achtzig Fuß empor. Nur im Osten und Südosten erreichen sie innerhalb einer Viertel- oder Drittelmeile eine Höhe von ungefähr hundert bis hundertundfünfzig Fuß. Alle sind mit Wäldern bedeckt. All unsere Gewässer in Concord zeigen wenigstens zwei Farben;
Weitere Kostenlose Bücher