Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
die eine erkennt man am besten aus der Ferne, die andere, natürlichere, besser in der Nähe. Die erste hängt mehr vom Licht ab und ist dem Himmel verschwistert. An klaren Sommertagen sehen die Gewässer in der Nähe, hauptsächlich wenn sie bewegt sind, blau aus, in größerer Entfernung stehend bemerkt man jedoch keinen Unterschied zwischen ihnen. Bei stürmischem Wetter haben sie bisweilen eine dunkle Schieferfärbung. Man behauptet übrigens, daß die See an einem Tage blau, am anderen grün aussieht, ohne daß eine wahrnehmbare Veränderung in der Atmosphäre sich ereignet hätte. War die Landschaft mit Schnee bedeckt, dann sah das Eis und das Wasser unseres Teiches fast so grün wie Gras aus. Einige glauben, daß "blau die Farbe des reinen Wassers, des flüssigen oder des festen sei". Sieht man jedoch vom Boot aus direkt in unsere Gewässer hinein, so bemerkt man, daß sie sehr verschiedene Farben besitzen. Der Waldenteich ist, von demselben Ort aus betrachtet, das eine Mal blau und das andere Mal grün. Da er zwischen Himmel und Erde liegt, vereint er die Farben der beiden in sich. Sieht man ihn von einer Hügelkuppe aus, dann spiegelt er die Himmelsfarbe wieder; in der Nähe gesehen, zeigt er unmittelbar am Ufer, dort wo man den sandigen Grund erkennen kann, eine gelbliche Färbung; dann folgt ein Hellgrün und dieser Farbenton geht allmählich nach der Teichmitte zu in ein gleichmäßiges Dunkelgrün über. Es gibt jedoch Beleuchtungen, wo er, auch von einer Hügelkuppe aus gesehen, nahe am Ufer lebhaft grün gefärbt ist. Man hat dies Phänomen oft auf die Spiegelung der grünen Pflanzenwelt am Ufer zurückgeführt. Er ist aber gerade so grün dort, wo am Ufer der sandige Eisenbahndamm sich erstreckt, gerade so grün im Frühling, wenn die Blätter sich noch nicht entfaltethaben. So ist diese Erscheinung wohl nur das Resultat einer Mischung des kräftigeren Blau mit dem Gelb des Teichsandes. Also so sieht seine Iris aus! Das ist auch die Stelle, wo im Frühling das Eis, wenn es durch die vom Grunde zurückgestrahlte und von der Erde fortgepflanzte Sonnenglut erwärmt wurde, zuerst schmilzt und um die noch zugefrorene Mitte einen schmalen Kanal bildet. Wie unsere übrigen Gewässer zeigt der Teich bei klarem Wetter und bei lebhafter Brise, wenn die Oberflächen der Wellen den Himmel im rechten Winkel spiegeln können, oder weit mehr Licht sich mit ihm vereint, ein tieferes Blau als der Himmel selbst. War ich zu einer solchen Zeit auf dem Teich und sah mit geteiltem Blick hinein, um gleichzeitig die Reflexe wahrzunehmen, so bemerkte ich manchmal ein wunderbares, unbeschreibliches Hellblau, das blauer war wie der Himmel selbst – Moiré- oder Changeantseide oder eine Degenklinge können vielleicht für einen Augenblick einen solchen Farbenton hervorzaubern – und dieses Blau, welches mit dem ursprünglichen Grün der entgegengesetzten Seite abwechselte, war so leuchtend, daß das Grün relativ stumpf anmutete. Es war, soweit ich mich erinnern kann, ein glasartiges Grünblau, und glich jenen wolkenlosen Stellen, die man am Winterhimmel westwärts bisweilen vor Sonnenuntergang sieht. Im Glasgefäß erscheint jedoch dieses Teichwalser gegen das Licht gehalten geradeso farblos wie die gleiche Menge Luft. Man weiß, daß eine dicke Glasplatte einen grünen Farbenton besitzt (die Fachleute sagen: "der Körper ist grün"), daß aber ein kleines Stück dieser Platte farblos ist. Wie stark der "Körper" des Waldenwassers sein muß, um grüne Färbung anzunehmen, habe ich nie erprobt. Das Wasser unseres Flusses ist, wenn man unmittelbar von oben hineinsieht, schwarz oder tief dunkelbraun; es verleiht, wie das Wasser der meisten Teiche, dem Körper des darin Badenden einen gelblichen Ton. Dieses Wasser ist jedoch so kristallklar, daß der Körper des Badenden – weiß wie Alabaster leuchtet. Gas sieht noch unnatürlicher aus und macht, da die Gliedmaßen drinnen vergrößert und verzerrt erscheinen, einen geradezu monströsen Eindruck. Ein Michelangelo könnte hier passende Studien machen.Das Wasser ist so durchsichtig, daß der Grund ohne Mühe bei einer Tiefe von fünfundzwanzig bis dreißig Fuß gesehen werden kann. Beim Rudern erblickt man viele Fuß unter der Oberfläche Scharen von Barschen und Weißfischen, die meistens nur einen Zoll lang sind. Trotzdem kann man die Barsche leicht an ihrer Querstreifung erkennen. Fische, die hier ihre Nahrung finden, müssen Asketen sein, so dachte ich bei mir. Ich hatte
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