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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Mutter rumkriegen?«, fragte Emily dazwischen. Sie fühlte sich unwohl, sie war Streit nicht gewohnt.
    »Genau. Denkst du, sie vertraut dir ihr Töchterchen an?«, höhnte Marie.
    Janna ging nicht auf Maries Frage ein. »Wenn Emily bleiben kann, dann passt ihr jeden Tag vom Frühstück bis zum Mittagessen auf Moritz auf. Das ist der Deal.«
    Marie schien zu überlegen, dann fragte sie voller Argwohn: »Wieso vormittags? Am Nachmittag ist er doch viel anstrengender.«
    »Weil er nachmittags bei den Kinder-Ferienspielen sein wird«, sagte Janna und grinste. »Zumindest während der ersten drei Wochen.«
    »Gute Idee«, musste Marie zugeben. »Aber wieso sollen wir ihn dann den ganzen Vormittag nehmen?«
    »Weil das der Preis ist«, sagte Janna.
    »Das ist unfair!«, protestierte Marie.
    »So ist das Leben.«
    »Stimmt«, seufzte Marie. »Und wie willst du das jetzt anstellen?«
    »Emily, wann soll der Segeltörn losgehen?«, fragte Janna.
    »Am Freitag um acht geht das Flugzeug.«
    »Ist deine Mutter im Moment zu Hause?«
    Emily schaute auf ihre Armbanduhr. »Müsste schon. Sie arbeitet in der Bibliothek, aber die hat heute geschlossen.«
    »Die Nummer?«
    Emily nannte sie ihr und Janna ging ins Haus. Neugierig folgten ihr die beiden Freundinnen. Im engen Flur lagen ein paar Jacken auf dem Fußboden, Emily bückte sich automatisch und hängte sie an den Garderobenhaken. Janna war schon in der Küche verschwunden. Das Geschirr stapelte sich in der Spüle, aber ansonsten verriet nichts in dem weiß gestrichenen Raum mit den hellen Vorhängen, dass die Weyer-Geschwister hier ohne Erwachsenen lebten.
    Janna schnappte sich das Telefon. »Ihr setzt euch hin und haltet die Klappe«, ordnete sie an.
    Die beiden gehorchten. Janna wählte die Nummer, man hörte es tuten, dann meldete sich Frau Schütz.
    »Guten Tag, Frau Schütz, hier spricht Frau Holtkamp. Ich bin die Großmutter von...ah, Sie wissen, wer ich bin. Schön. Dann wissen Sie ja auch, worum es geht.«
    Emily traute ihren Ohren nicht. Es war geradezu unheimlich. Aus dem Mund dieses jungen Mädchens kam die knarzende, brüchige Stimme einer alten Frau. Es war nicht die Stimme von Frau Holtkamp, die hatte gar nicht so alt geklungen, aber da Emilys Mutter vorher noch nie mit der Frau gesprochen hatte, war das egal. Janna klang jedenfalls wie eine alte Frau, als sie Emilys Mutter nun erklärte: »Ich schlage vor, dass wir uns bei einer Tasse Kaffee darüber unterhalten. Ich bin noch bis Freitag bei meiner Schwester in Hamburg, sie hatte einen Bandscheibenvorfall, ich musste ihr etwas zur Hand gehen, aber am Freitagnachmittag würde ich Sie gerne zu einem Stück Kuchen... ach, das ist aber schade. Schon am Morgen, zu dumm...und ich habe einen Fahrschein mit Zugbindung, ich kann auch nicht früher hier weg.«
    Emily und Marie sahen sich mit angehaltenem Atem an. Ob das gut gehen würde, fragte sich Emily. Aber sie musste zugeben, dass Janna, besonders wenn man die Augen schloss, sehr überzeugend klang. In den letzten Tagen überraschte Maries ältere Schwester sie immer wieder von Neuem.
    »Nein, aber gar nicht. Ihre Tochter macht sich hier sehr nützlich. Sie spielt auch so gerne mit dem kleinen Moritz, und wenn sie da ist, dann beschäftigt sich Marie viel sinnvoller. Wissen Sie, Janna, die Große, die ist ja schon sehr vernünftig und erwachsen, die ist mir eine große Hilfe. Aber Marie – wenn die alleine ist, ist die den ganzen Tag nur am Chillen...äh, ich meine ...am Faulenzen. Nicht wahr, man gewöhnt sich langsam selber diese schreckliche Sprache an, geht es Ihnen nicht auch so?«
    Marie und Emily atmeten im Hintergrund synchron aus. Leider konnten sie nicht hören, was Emilys Mutter am anderen Ende der Leitung dazu sagte. Offenbar folgte ein längerer Sermon von Frau Schütz, ehe »Frau Holtkamp« in den Hörer krächzte: »Gut, meinetwegen, wenn Ihnen dann wohler ist, geben Sie ihr halt in Gottes Namen ein bisschen Kostgeld mit.«
    Marie schüttelte empört den Kopf, Emily unterdrückte ein Kichern.
    »Ja. Ja, natürlich können Sie jederzeit hier anrufen. Emily wird sich bei Ihnen auch regelmäßig melden, das muss sie mir versprechen. – Aber ja. – Nein, nichts zu danken. Auf Wiederhören, Frau Schütz! Und eine schöne Reise!«
    Mit knallroten Wangen legte Janna den Hörer hin. Offenbar hatte das Gespräch ihre Stimmbänder strapaziert, sie musste husten und stürzte an den Wasserhahn.
    »Es klappt?«, fragte Emily gespannt.
    »Ja«, sagte Janna wieder

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