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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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lachen.
    »Tu das eklige Ding weg«, bat sie. »Oder warte! Vielleicht kann ich damit mal Janna erschrecken und es ihr unter die Bettdecke legen!« Marie nahm Emily die Schachtel aus der Hand und brachte sie in ihr Zimmer.
    In diesem Moment polterte Moritz die Treppe hinauf. Emily sah hoch. Sie hatte sich schon gewundert, wo der Knirps blieb. Normalerweise war ihm schon nach einer halben Stunde allein sterbenslangweilig.
    Aber halt – irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Er hatte einen knallroten Kopf und stotterte vor Aufregung, als er Marie zurief: »Da war...dawar...der Mann. Der...der böse schwarze Mann.«
    »Was für ein Mann?«, fragte Marie.
    »Der Mann halt!«, wiederholte Moritz und stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf.
    »Der Mann, der angeblich neulich in der Nacht auch da war?«, erkundigte sich Marie.
    Die Augen von Moritz leuchteten auf. »Ja.«
    »War’s vielleicht der Kaminkehrer?«, fragte Marie ihren Bruder mit verhaltenem Spott, was Moritz jedoch entging. Er schüttelte heftig den Kopf.
    »Wo war der Mann?«, fragte Emily.
    »Am Zaun.«
    »Hast du mit ihm gesprochen?«
    Moritz sah verlegen von Emily zu Marie. Offenbar fiel ihm gerade ein, dass man nicht mit fremden Männern sprechen sollte.
    »Du kannst es ruhig sagen«, meinte Marie. »Was wollte der?«
    »Der wollte zu meiner Oma. Marie, wann kommt Oma wieder zurück?«
    »Ach, Moritz...«
    »Hat er wörtlich gesagt: deine Oma?«, mischte sich Emily ein.
    Moritz schien zu überlegen, dann sagte er: »Nein.«
    »Hat er gesagt: Frau Holtkamp?«, versuchte es Emily.
    Moritz nickte unsicher.
    »Und was hast du geantwortet?«, fragte Marie.
    »Ich bin weggelaufen«, gestand Moritz mit gesenktem Blick.
    »Das war gut so«, lobte ihn Marie und seine Miene hellte sich wieder auf.
    »Wenn der Mann wiederkommt, rufst du mich oder Janna oder Emily. Und das gilt auch für andere Leute, die hier herumlungern, klar?«
    Moritz nickte. Für ihn gab es bereits Wichtigeres: »Ich hab Hunger!«, klagte er.
    »Komm mit runter, ich mach dir ein Butterbrot. Wenn Janna zurückkommt, kochen wir was. Ich kann diese Konservendosen schon nicht mehr sehen. Möchte nur wissen, wo diese Tussi so lange bleibt!«
    Emily folgte den beiden die Treppe hinunter. Auch sie war hungrig und freute sich auf ein vernünftiges Abendessen. Dafür würde sie sogar kochen. Aber noch klangen Moritz’ Worte in ihren Ohren. »Findest du das nicht komisch?«, flüsterte sie Marie zu, als Moritz heißhungrig sein Brot verschlang.
    »Ach, der erzählt viel«, winkte Marie ab. »Wahrscheinlich war es ein Bettler oder jemand von der GEZ. Meine Oma hat immer gesagt, für dieses miese Programm würde sie keinen Cent bezahlen und wir sollten ja nie mit irgendwelchen Männern an der Tür reden oder gar einen ins Haus lassen. ›Finstere Gestalten‹ hat sie sie immer genannt. Klar, dass Moritz jetzt überall böse schwarze Männer sieht.«
    »Aber neulich nachts... Meinst du, das war auch die GEZ?«, zweifelte Emily.
    »Ach, da war doch niemand hier. Moritz hat einfach nur schlecht geträumt. Kein Wunder, er hat das mit Oma ja voll mitgekriegt, auch wenn er’s nicht kapiert hat.«
    Draußen erhob sich erneut Lärm, dieses Mal kam er aus dem Autoradio des Fiesta, der gerade vor dem Haus anhielt. Er war vollgepackt mit Farbeimern und Lebensmitteln.
    »Endlich«, seufzte Marie. »Man möchte es nicht glauben, aber manchmal bin ich sogar froh, meine Schwester zu sehen.«
    Die kommenden zwei Tage verbrachten die Mädchen vorwiegend auf Leitern. Marie und Emily hatten sich die Küche vorgenommen, sie sollte sonnengelb gestrichen werden. Hin und wieder, wenn Emily an irgendeiner schwierigen Ecke herumpinselte, kam ihr der Gedanke, wie es wohl jetzt gerade auf dem Segelboot wäre. Sie würde an Deck liegen, ein spannendes Buch lesen und sich die Sonne auf den Rücken scheinen lassen...
    Unsinn! Das hier ist besser, sagte sie sich. Zum Beispiel konnte man endlich fernsehen, so lange man wollte – und vor allen Dingen, was man wollte. Im Spätprogramm hatte es gestern Da s Schweige n de r Lämme r gegeben. Emily und Marie hatten sich auf dem Sofa unter der Decke zusammengekauert, wo sie die besonders nervenaufreibenden Szenen zitternd und mit den Händen vor den Augen durchgestanden hatten. An einigen Stellen wäre Emily am liebsten aus dem Zimmer gegangen, aber vor Janna hatte sie sich keine Blöße geben wollen. Danach hatte sie unruhig geschlafen. Aber das lag sicher nur an den Güterzügen, von denen

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