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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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heißt Walter und ist obdachlos. Er hatte Hunger.«
    Janna wandte sich nach Emily um und ihr Blick sagte: Siehst du! Das ist es, wovon ich gesprochen habe!
    Emily gefiel der Mann nicht. Es mochte an seinen Augen liegen, die tief in den Höhlen lagen und deren Farbe kaum auszumachen war. Obwohl – jetzt war sie wirklich unfair! Man sollte Leute nicht einfach nur nach dem Äußeren beurteilen. Wahrscheinlich war er völlig harmlos.
    »Tach, die jungen Damen«, sagte der Mann, nachdem er den Bissen hinuntergeschluckt hatte.
    Er schaute sie freundlich an, aber auch sein Lächeln gefiel Emily nicht, es erinnerte an eine Muräne. Wie konnte Marie nur diesen Menschen ins Haus lassen? Janna schien da ganz ähnlich zu denken. »Essen Sie bitte Ihren Kuchen auf und dann möchte ich Sie bitten zu gehen«, sagte sie förmlich und warf ihrer Schwester einen eisigen Blick zu, ehe sie die Küche verließ.
    »Selbstverständlich, gnädiges Fräulein«, antwortete der Mann übertrieben untertänig, was Emily nun endgültig widerwärtig fand. Am liebsten wäre sie auch gegangen, aber sie hatte das Gefühl, dass sie ihre Freundin nicht mit diesem Mann allein lassen sollte.
    Marie war vielleicht weichherzig, aber nicht dumm. Bestimmt hatte sie den Typen nur hineingelassen, um sich an Janna wegen der Party zu rächen.
    Der Mann hatte aufgegessen, aber er machte keine Anstalten zu gehen. Vielmehr zündete er sich eine Zigarette an und ignorierte Maries Einwand, hier herrsche Rauchverbot. Dann fragte er nach Bier. Ehe Marie antworten konnte, behauptete Emily: »Nein, wir haben kein Bier im Haus. Und es wäre uns wirklich lieber, wenn Sie jetzt gehen würden.«
    Er erhob sich gemächlich. Er war nicht sehr groß, aber von kräftiger Statur. Ein Speckring wölbte sich über dem Gürtel seiner ausgeleierten Cordhose. Doch anstatt zur Tür, ging er zum Kühlschrank. »Hey, was haben wir denn da?«, rief er angesichts der Restbestände der Party hocherfreut. Er warf Emily einen Blick zu, bei dem sich ihr die Nackenhaare aufstellten. »Man soll doch nicht lügen, kleines Fräulein, nicht wahr?«
    »Nehmen Sie so viel Bier mit, wie Sie wollen, aber gehen Sie jetzt bitte. Meine Schwester wird sonst sauer.« Jetzt wurde auch Marie sauer.
    »Huh, da fürchte ich mich aber!«, höhnte er und öffnete die Bierflasche an der Kante der Arbeitsplatte. Er trank sie in einem Zug zur Hälfte leer, rülpste, inspizierte den Inhalt des Kühlschranks und fragte: »Was gibt es denn zum Abendessen?«
    »Wenn Sie jetzt nicht auf der Stelle verschwinden, dann rufe ich die Polizei!« Das war Jannas Stimme, vermutlich hatte sie die ganze Zeit vor der Tür gehorcht.
    Der Mann nahm noch einen großzügigen Schluck Bier, dann grinste er Janna hämisch an: »Die Polizei? Ja, wirklich?«
    Wütend stapfte Janna davon. Marie folgte ihr. Emily blieb in der Küchentür stehen, sie wollte den Fremden nicht aus den Augen lassen. Im Wohnzimmer zischte Marie: »Toll! Hat dir noch niemand gesagt, dass man nur androhen soll, was man auch wahr machen kann?«
    Aber Janna war auf hundertachtzig. »Halt du bloß den Mund!«, fauchte sie zurück. »Wer hat uns denn diese Scheiße hier eingebrockt?«
    »Denkst du, der weiß was?«, fragte Marie.
    »Jedenfalls benimmt er sich so.«
    »Und wenn wir die Polizei doch holen und denen auch erzählen, dass Oma im Krankenhaus liegt?«, schlug Marie vor. Sie war inzwischen recht kleinlaut geworden.
    »Woraufhin sie Oma bestimmt sprechen wollen.«
    »Wir sagen, sie liegt im Koma.«
    »Sieh mal an, unsere Intelligenzbestie. Mit einer ach so brillanten Idee! Dann fragen die doch erst recht, wer sich um uns kümmert! Und schon ist die Kacke am Dampfen.« Janna schüttelte den Kopf.
    Vor dem Fenster sirrten die roten Waggons einer S-Bahn vorbei. Janna sah gehetzt auf die Uhr. »Ich muss Moritz abholen. Seht zu, dass ihr den Kerl loswerdet, bis wir zurückkommen.«
    Marie und Emily schlichen in die Küche. Der Obdachlose saß mit weit von sich gestreckten Beinen auf dem Küchenstuhl und schaute aus dem Fenster. Janna bog gerade mit ihrem Rad in den Feldweg Richtung Dorf ein.
    »Wo fährt sie hin?«, wollte er wissen.
    »Sie holt Hilfe, da Sie ja wohl freiwillig nicht gehen wollen«, behauptete Emily, aber der Besucher fiel nicht darauf herein.
    »Na, da bin ich mal gespannt«, sagte er und in diesem Moment war sich Emily sicher, dass der Mann Bescheid wusste. Oder zumindest irgendetwas ahnte.
    Marie schien denselben Gedanken zu haben, in ihrem

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