Waldesruh
Tat war Janna mehr als blass um die Nase, und als sie nun die Pfannkuchen roch, floh sie auf die Toilette.
Das Telefon klingelte. Emilys Eltern auf hoher See.
»Hallo, Süße, wie geht es dir, ist bei euch alles in Ordnung?«
»Klar, Mama, alles bestens.«
Vom Klo her tönten Würgelaute.
»Was war denn das?«
»Ach nichts, Moritz macht Unsinn mit der Gießkanne. Marie und ich sind gerade bei der Gartenarbeit...«
»Ach, schon wieder? Zu Hause muss man dich immer dazu prügeln«, wunderte sich ihre Mutter und Emily musste kichern, als sie sich ihre Mutter vorstellte, die sie mit einem Prügel in der Hand durch den Garten jagte.
»Was ist daran so lustig?«, fragte ihre Mutter.
»Nichts«, sagte Emily rasch. Nur nicht übertreiben.
»Gib mir doch mal kurz Maries Großmutter«, bat Frau Schütz.
Da Janna im Augenblick wohl eher nicht in der Lage war, ihre Mutter Courage zu geben, sagte Emily: »Die ist einkaufen.«
»Ach, schade. Dann werde ich sie ein andermal fragen, ob du dich auch wirklich gut benimmst.«
»Was denkst du denn von mir?«, erwiderte Emily empört.
Ihre Mutter lachte, aber ihre üblichen Ermahnungen konnte sie sich trotzdem nicht verkneifen. Schließlich kam ihr Vater ans Telefon. »Na, Mäuschen, fühlst du dich auch wohl? Bereust du es, dass du nicht mitgekommen bist?«
»Kein bisschen«, sagte Emily aus vollem Herzen und seltsamerweise musste sie dabei an diesen verrückten Nackten von gestern denken. Lennart. Sie hatte ihn weder beim Tanzen noch später in der Küche gesehen, er hatte sich wohl gleich nach seiner schmachvollen Niederlage beim Pokern verdrückt.
»Typisch. Nie sind die Kerle da, wenn man sie braucht«, maulte Janna kurze Zeit später mit einem sehnsüchtigen Blick auf das Auto ihrer Großmutter und einem resignierten auf das angefallene Leergut: zwei Körbe und zwei Tüten, prall mit Flaschen gefüllt, standen vor der Tür. »Wenn ich bloß schon den Führerschein hätte!«
»Ich fahre mit und helfe dir«, bot Emily an.
Zu dritt radelten sie los, Emily und Janna mit Flaschen beladen, in ihrer Mitte fuhr Moritz, dessen Ferienspiele heute begannen. Sie konnten die Gelegenheiten nutzen und ihn im Dorf absetzen.
Moritz war schon ganz aufgeregt, unentwegt plapperte er vor sich hin, während er mit seinen kurzen Beinen eifrig strampelte. Sein Schluckauf hatte nach den Pfannkuchen zum Glück endlich nachgelassen.
Im Dorf angekommen, warfen sie die Flaschen in den Container und lieferten Moritz bei der Grundschule ab, wo er sofort auf seine Freunde zustürmte.
»So, der wäre erst mal verräumt«, seufzte Janna erleichtert.
Emily lächelte ihr aufmunternd zu und schlug spontan vor: »Gehen wir noch ins Eiscafé? Ich lade dich ein.«
Janna war überrascht, stimmte dann aber zu. »Aber für mich heute ohne Sahne«, meinte sie, als sie ihre Räder vor dem Café angeschlossen hatten und sich in den Schatten eines Sonnenschirms gleiten ließen. Sie rückte ihre schwarze Sonnenbrille zurecht.
»Coole Brille«, sagte Emily.
»Findest du?« Janna griff danach und reichte sie Emily über den Tisch. »Setz du mal auf.«
Die Welt, eben noch sonnig, wurde dämmrig.
»Steht dir«, meinte Janna. »So in ein, zwei Jährchen wird sich die Männerwelt vor dir ganz schön in Acht nehmen müssen.«
»Meinst du wirklich?«, fragte Emily.
»Wenn ich’s dir doch sage.«
Emily gab die Brille zurück. Sie musste sich unbedingt so ein ähnliches Modell kaufen.
Der Kellner kam, Janna bestellte Latte Macchiato, Emily wählte den Früchtebecher. Danach fasste sie Mut und fragte Janna: »Was hast du gestern damit gemeint, als du gesagt hast, eure Mutter sei ein Alki?«
»Hab ich das gesagt?«
»Erfunden habe ich es nicht.«
»Was soll ich damit schon gemeint haben?«
Die Frage war ihr unangenehm, was man daran erkannte, dass sie in ihrer Handtasche nach einer Zigarette kramte. Sie fand aber keine und so spielten ihre Hände nervös an einem Stapel Bierdeckel herum, während sie erklärte: »Es fing an, nachdem mein Vater abgehauen war. Sicher war das nicht die feine Art, eine Frau mit drei Kindern sitzen zu lassen, aber da ist sie vermutlich nicht die Einzige, der das passiert. Jedenfalls ist das kein Grund, sich hemmungslos seinen Depris und dem Suff zu ergeben.«
»Depris?«, wiederholte Emily verständnislos.
»Depressionen, Launen, Wehwehchen – nenn es, wie du willst.«
Emily nickte. Sie wünschte, sie hätte nicht gefragt.
»Man kann doch die Verantwortung für drei
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