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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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eine Brieftasche auf den Tisch. Vorne steckten zwei Kreditkarten, ein uralter grauer Führerschein und ein deutscher Reisepass.
    »Den kennen wir doch«, meinte Emily nach einem Blick auf das Foto des Mannes. »Das ist der Penner! Nur viel jünger, ohne Bart und mit bravem Seitenscheitel.«
    »Konstantin Hermann Reschke, geboren am 17. August 1968 in Herne«, las Emily vor. »Sagt euch dieser Name etwas?«
    Janna schüttelte den Kopf, ebenso Marie.
    Emily nahm den Reisepass, kniff die Augen zusammen und las die Adresse vor: »Av. Apoquindo 102, 3349001 Conceptión, Chile.«
    »Chile?«, staunte Marie.
    »Chile«, bestätigte Janna, die die Brieftasche natürlich schon auf der Heimfahrt in der S-Bahn genauer inspiziert hatte. Sie kramte nun die Zettel aus dem hinteren Fach. Kassenquittungen von Läden, deren Namen spanisch klangen, Fahrscheine für öffentliche Verkehrsmittel und ein Flugticket, ausgestellt auf den Namen Konstantin Reschke, gültig für einen Flug von Frankfurt nach Santiago de Chile für Dienstag, den 22. Juli.
    »Also heute«, sagte Janna. »Deshalb hatte er es so eilig mit dem Bild.«
    Hinter dem Flugticket klebte ein Abschnitt des Tickets für den Hinflug von Santiago de Chile nach Frankfurt mit dem Datum 1. Juli.
    »Eure Großmutter starb am dritten Juli«, erinnerte Emily. »Also hat Moritz wirklich nicht gelogen mit seiner Geschichte vom bösen Mann.« Emily hatte Marie in der Zwischenzeit von ihrem Gespräch mit Moritz erzählt und sie weihten nun mit knappen Sätzen Janna ein.
    »Dann hat dieser Kerl sie umgebracht!«, bemerkte Janna finster. Sie sah ihre jüngere Schwester an. »Jetzt brauchst du dir wirklich keine Vorwürfe mehr zu machen, Marie. Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
    »Du musst mich nicht ständig rechtfertigen, ich komm schon damit klar«, fauchte Marie und sah abwechselnd Emily und Janna wütend an. »Und ihr müsst mich auch nicht ständig so anschauen, als ob ich ein Monster wäre, nur weil ich nicht rum-heule und keinen Nervenzusammenbruch kriege! Es hat mir keinen Spaß gemacht, den Typen zu erschießen, aber es ist sich nun mal geschehen, basta!« Marie schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Schon gut, komm wieder runter«, sagte Janna. Für einen Moment herrschte betretenes Schweigen, ehe Janna eine Fotovisitenkarte in die Höhe hielt. »Ob das seine Freundin ist?«, fragte sie und grinste in die Runde.
    Das Foto auf der Karte zeigte eine Dame mit nicht gerade übermäßig intelligentem Gesichtsausdruck – hängende Lider, offener Mund – und ballonartig aufgedunsenen Brüsten. Darunter standen eine Telefonnummer und Angaben zur Person: »Lizzy, total versaut.«
    Die Mädchen kicherten und Emily war Janna dankbar, dass sie die Situation gerettet hatte.
    »So, und jetzt wird’s interessant«, verkündete Janna und zog einen Umschlag aus ihrer Handtasche, wobei sie berichtete: »Der hier war im Safe des Zimmers. Der Safe war natürlich zu, aber ich habe mal probehalber das Geburtsdatum aus dem Pass eingetippt – und schon ist er aufgesprungen. Manche Menschen sind ja so fantasielos . . .« Janna schüttelte den Kopf, während aus dem Umschlag eine große Schwarz-Weiß-Fotografie fiel. »Das muss das Bild sein, um das es geht.«
    Es war die Fotografie eines Gemäldes. Es zeigte eine hockende Männergestalt, die etwas Trauriges, Einsames ausstrahlte.
    »Sonst war nichts dabei?«, fragte Marie.
    »Nein. Ich finde, es sieht ein bisschen aus wie die berühmten Impressionisten«, sagte Janna. »Monet, Renoir oder so in der Richtung.«
    »Das kenne ich doch irgendwoher!«, rief Emily.
    »Was? Wirklich?« Plötzlich sah sich Emily im Mittelpunkt größter Aufmerksamkeit.
    »Wartet!« Aber Marie und Janna dachten nicht daran, sie folgten Emily, die die Treppe hinaufgerannt war. Das Getrampel machte Moritz aufmerksam, er hob neugierig den Kopf, aber Janna rief ihm zu. »Wir müssen nur was für die Schule machen.«
    Emily raste in Maries Zimmer und öffnete Frau Holtkamps Nachtschränkchen, das nun neben Maries Bett stand.
    »Was suchst du denn da drin?«, protestierte Marie, aber Emily öffnete, ohne zu antworten, die Schublade, in der Marie eine Taschenlampe, eine Packung Papiertaschentücher, die Pistole des toten Herrn Reschke, etliche Haarspangen und ein Fläschchen Nagellack aufbewahrte.
    »Hier ist mein rosa Lack, den ich schon die ganze Zeit suche!«, ereiferte sich Janna.
    Emilys Finger wanderten ganz nach hinten in die Schublade. Der Umschlag war noch da! Sie zog ihn

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