Waldesruh
heraus und griff nach der Fotografie.
Janna hielt das andere Foto daneben.
Und tatsächlich – es war dasselbe Bild, nur dass Frau Holtkamps Foto farbig war – wenn auch mit Rotstich. Trotzdem erkannte man, dass das Bild in blauen und blaugrünen Tönen gehalten war.
»Hast du eine Lupe?«, fragte Emily. Marie kramte in ihrem Schreibtisch und kam einen Moment später zurück. »Hier«, sagte sie.
Ihre Aufregung war fast mit Händen greifbar.
Auch Janna trommelte mit den Fingernägeln auf den Türrahmen. »Was...was ist denn nun?« Emily studierte das Bild durch die Lupe. »Kann ich mal ins Internet?«, fragte sie dann.
»Klar.«
Ungeduldig warteten sie, bis Janna in ihrem Zimmer den Computer hochgefahren hatte. Emily setzte sich vor den Bildschirm, klickte sich eine Weile durch die Suchmaschinen, dann drehte sie sich um und sagte: »Das ist ein Picasso.«
Janna tippte sich an die Stirn. »Und ich bin Heidi Klum.«
Aber Emily ließ sich nicht beirren. »Nimm mal die Lupe, schau die Signatur auf den Fotos an und vergleiche sie mit der Signatur auf denen.« Sie deutete auf die Abbildungen von Picasso-Gemälden, die sie im Internet gefunden hatte.
Janna und Marie starrten abwechselnd durch die Lupe und auf den Bildschirm.
»Aber der malt doch sonst immer so eckig und verschoben!«, meinte Janna. »Da hat sich jemand einen Scherz erlaubt und die Signatur gefälscht.«
»Nur in seiner kubistischen Periode malte er so eckig«, erklärte Emily. »Dieses Bild ist älter, es gehört wahrscheinlich zur blauen Periode. Da, hier steht es: Die dauerte etwa von 1901 bis 1905. Durch den Selbstmord eines Freundes war er bedrückt und malte schwermütige, impressionistisch angehauchte Bilder in Blau. Dann lernte er eine neue Frau kennen und es folgte die rosa Periode. Hier, schaut her.« Sie tippte Picasso und blaue Periode in die Suchmaske und ließ sich erneut die Bilder anzeigen.
»Du hast recht, die sind ähnlich«, bestätigte Marie.
»Schau mal nach, ob du das hier findest«, sagte Janna heiser.
»Das glaube ich kaum«, vermutete Emily. »Hier sind nur Bil der, die im Besitz von Museen oder großer privater Sammlungen sind.« Dennoch stand Emily auf und überließ Janna den Platz am Schreibtisch. Janna griff zur Maus und klickte sich durch die Seiten. »Nein, nichts. Schade, ich wüsste zu gerne, wie es heißt.«
»Trauriger, einsamer Mann«, sagte Marie. »So würde ich es nennen. Er muss wirklich nicht gut drauf gewesen sein, als er es gemalt hat.«
Janna drehte sich mitsamt ihrem Stuhl um. Ihre Hände zitterten und ihr Atem ging flach, als sie sagte: »Leute, wenn es hier wirklich um einen echten Picasso geht – wisst ihr, was das heißt?«
»Dass das Bild ganz schön wertvoll ist«, antwortete Marie.
»Ganz schön wertvoll? Das ist Millionen wert!«, rief Janna. »Millionen!«
»Aber wie kommt, bitte schön, unsere Oma an einen Picasso?«, fragte Marie zweifelnd.
»Vielleicht hat ihr Mann – also euer Großvater – einen gekauft, als Picassos Bilder noch nicht so teuer waren«, spekulierte Emily. »Obwohl – das müssten eher die Eltern eurer Oma gewesen sein. Das Bild ist vor über hundert Jahren gemalt worden.«
»Stimmt. So kann es gewesen sein«, pflichtete ihr Janna bei und überlegte weiter: »Aber das würde heißen, dass Oma jahrelang stillschweigend auf einem riesigen Vermögen gesessen hat. Das kann doch nicht wahr sein! Und uns hat sie angepflaumt, wenn wir mal zu lange geduscht haben.«
»Ob sie es hatte, wissen wir doch gar nicht«, sagte Marie.
»Aber irgendjemand in Chile scheint genau das zu glauben«, entgegnete Janna. »Ich glaube kaum, dass dieser Reschke auf eigene Rechnung gearbeitet hat, oder? Erinnert ihr euch noch an den Anruf mit dem Ultimatum? Damals hat er gesagt, seine Auftraggeber verstünden keinen Spaß.«
»Oma hat nie jemanden in Chile erwähnt«, sagte Marie. »Oder?« Sie sah Janna fragend an.
Die schüttelte den Kopf.
»Bestimmt wird derjenige nicht so rasch aufgeben«, befürchtete Emily.
Janna nickte. »Wenn es tatsächlich um Millionen geht, dann wird dieser Mensch in Chile das nächste Mal nicht so einen Amateur schicken, der sich von einer Dreizehnjährigen die Birne...«Sie unterbrach sich abrupt. »Entschuldige, Marie.«
Marie war bei Jannas Worten ganz kurz zusammengezuckt, nun aber reckte sie das Kinn und winkte betont lässig ab. »Schon gut. Wir müssen dieses verdammte Bild finden. Dann können wir mit denen über den Preis
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