Waldmeister mit Sahne
wenn er den letzten Rest seines Humors zusammenkratzte. Das hier ging dagegen deutlich zu weit. Wütend riss er die Tür auf und stieg ein. Mit quietschenden Reifen fuhr er vom Parkplatz und direkt nach Hause. Sein Magen schmerzte fürchterlich und zu allem Überfluss sollte heute Abend das Gespräch zwischen ihm, seiner Frau und seinen Schwiegereltern stattfinden.
Natürlich geriet er in den üblichen Feierabendstau, was seine Laune nicht gerade verbesserte. Im Moment schien sich die ganze Welt gegen ihn verschworen zu haben. Na ja, bis auf Frauke. Dass sie ihm das Einzelbüro organisiert hatte, war wirklich nett. Vielleicht sollte er ihr morgen zum Dank ein paar Blumen mitbringen oder sie auf einen Kaffee einladen.
Endlich fuhr er vor sein Haus und musste feststellen, dass seine Noch-Familie bereits seine Garage zuparkte und auf ihn wartete.
„Warum seid ihr nicht reingegangen?“, fragte Joachim zur Begrüßung.
„Wir können ja nicht einfach in dein Haus eindringen“, antwortete Magda spitz. Solange Joachim zurückdenken konnte, hatte seine Schwiegermutter in diesem Ton mit ihm geredet. Als er herausgefunden hatte, dass Vanessa damals – vor unendlich langer Zeit – nicht nur mit ihm, sondern ebenfalls mit einem Oberarzt aus dem Städtischen Klinikum ausgegangen war, wusste er, warum Magda ihn ablehnte. Er war nur der Heiratskandidat zweiter Wahl gewesen. Wenn er die sechzehn Jahre Ehe rückblickend betrachtete, konnte er dem Oberarzt nur gratulieren.
Du musst sie nicht mehr lange ertragen, versprach sich Joachim und schloss die Haustür auf. Mit einer schwungvollen Geste überließ er seinen Schwiegereltern und Vanessa den Vortritt und folgte ihnen in das Wohnzimmer. Kurz darauf saß er drei Paar anklagend blickender Augen gegenüber.
„Wie konntest du nur?“, brach Magda im leisen, zischenden Ton als Erste das Schweigen.
Joachim zuckte bloß mit den Schultern. Inzwischen war er zu der Auffassung gekommen, dass er für seine sexuelle Ausrichtung niemandem gegenüber Rechenschaft ablegen musste. Schließlich entschuldigte sich Vanessa ja auch nicht dafür, dass sie nicht lesbisch war.
„Und wie soll es von nun an weitergehen?“, erkundigte sich Günter. Er war schon immer der praktisch Veranlagte der Familie gewesen.
„Ich will die Scheidung“, erklärte Joachim. „Mein Anwalt sagte mir leider, dass wir keine Aussichten auf eine Härtefallentscheidung haben. Wir müssen also das übliche Trennungsjahr einhalten.“
„Du hast bereits mit einem Anwalt gesprochen?“ Vanessa starrte ihn an.
„Natürlich. Ich will meine neu gewonnene Freiheit so schnell wie möglich genießen. Du doch sicherlich ebenfalls. Ach nein, ich vergaß ja völlig: Du hattest in den letzten Jahren bereits jegliche Freiheiten und konntest tun und lassen, was du wolltest.“
„Du …“, zischte Vanessa schon, da wurde sie von ihrer Mutter unterbrochen, die ihr in einer mahnenden Geste die Hand auf den Arm legte. Magda warf ihre rot gefärbten Haare in den Nacken und sagte unverfroren: „Kommen wir zum Finanziellen, Achim. Wie denkst du darüber?“
Sofort wurde Vanessa ganz ruhig.
„Da wir einen Ehevertrag abgeschlossen haben, behält jeder das, was er in die Ehe mitgebracht und während der Ehe von seinem Einkommen erwirtschaftet hat.“ Joachim erhob sich von seinem Platz und nahm einen Stapel Papiere vom Schrank, den er extra für dieses Gespräch vorbereitet hatte. Eine Kopie des Ehevertrags legte er Magda direkt vor die Nase.
„Aber … dann gehört mir ja gar nichts“, sagte Vanessa kläglich.
„Sei nicht so negativ, Schatz. Du kannst deine getöpferten Schalen behalten, deine Stillleben und die Yogamatte. Und vielleicht hilft dir dein Personal Trainer aus dem Fitness-Studio beim Tragen deiner Koffer.“ Joachim konnte sich einen gewissen Sarkasmus nicht verkneifen.
Magda zog ein saures Gesicht. Offenbar las sie soeben die Stelle, in der es um einen gegenseitigen Unterhaltsverzicht ging. Vanessa würde sein Haus tatsächlich nur mit ihren Klamotten verlassen. Mit diesen war sie allerdings reichlich gesegnet. Joachim hatte keine Ahnung, was er zukünftig mit soviel Platz in den Schränken anfangen sollte.
„Und wovon soll ich leben?“, fragte Vanessa. Eine erste Krokodilsträne lief über ihre Wange.
Joachim blieb ungerührt. Er wusste nur zu genau, dass Vanessa auf Knopfdruck heulen konnte. Solche Szenen hatte es immer gegeben, wenn sie unbedingt ihren Kopf durchsetzen wollte.
„Vanessa, du
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