Waldmeister mit Sahne
unweigerlich hinter seinem Rücken einsetzende Getuschel. Andere Kollegen lächelten ihn auf dem Flur unsicher oder verlegen an, aber niemand traute sich, ihn direkt zu fragen, ob die Gerüchte über ihn stimmten. Joachim seufzte und versuchte sich auf seinen Job zu konzentrieren. Plötzlich summte sein Handy. Eine Nachricht war eingegangen. Hastig wollte Joachim nach dem Handy greifen und stieß dabei in seiner Hektik die Kaffeetasse um.
„Verdammt!“ Ein brauner See breitete sich auf seinem Schreibtisch aus. Joachim ignorierte Dieters schadenfrohes Grinsen und bemühte sich Akten und die Tastatur vor dem Ertrinken zu retten, ehe er mit einer Packung Taschentücher den kalten Kaffee, der vom frühen Morgen stammte, aufwischte. Endlich konnte er die Nachricht lesen:
Lass mich in Ruhe, Arschloch!!!
Drei Ausrufezeichen! Micha meinte es ernst. Und er war immer noch stinksauer. Arschloch … Okay, das hatte er wohl verdient. Langsam schob Joachim das Handy in seine Hosentasche. Micha, Vanessa, die Kinder, seine Schwiegereltern, Dieter … Auf einmal fühlte sich Joachim fix und fertig. Er hatte alle für ein paar Stunden voller Glück enttäuscht. Bisher hatte Joachim sein Leben immer gut gemeistert und jede neue Situation als Herausforderung angenommen. Nur dieses Mal schien ihm sein Leben zu entgleiten und er fand zu keiner Ordnung mehr zurück. Sein Magen schmerzte und er presste mit einem unterdrückten Stöhnen einen Arm gegen seinen Bauch. Vielleicht sollte er sich später etwas aus der Apotheke holen.
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Als Joachim aus der Mittagspause kam, erwartete ihn auf seinem Schreibtisch eine neue Überraschung. Aus leuchtend gelbem Knetgummi hatte jemand einen fünfzehn Zentimeter großen Penis geformt, die Spitze mit etwas beschmiert, das verdächtig nach Nutella roch und das Ganze mitten auf seinem Schreibtisch gepflanzt. Still setzte sich Joachim davor und blickte fassungslos auf dieses Kunstwerk. Nach einer Weile stützte er beide Ellenbogen auf den Tisch und vergrub das Gesicht in den Händen. Ein tiefes Seufzen entwich seiner Kehle.
„Achim?“
Er blickte auf. Frauke stand in der Bürotür und riss die Augen auf, als sie den Penis bemerkte.
„Ja, also … Sag mal! Was soll denn diese Geschmacklosigkeit?“, fragte sie ärgerlich und trat näher, um die Meisterleistung gestalterischer Hände näher zu betrachten.
„Ein Scherz unter Kollegen.“ Joachim versuchte die Angelegenheit abzuwiegeln.
„Ein Scherz? Du spinnst wohl? Das hier ist eine ausgemachte Frechheit. So etwas Unverschämtes kann sich nur Dieter einfallen lassen. Du solltest mal hören, was der so von sich … Nein. Du solltest es lieber nicht hören.“ Einen Moment lang blickten beide auf die gelbe Knete, die frivol vor Joachim in die Höhe ragte.
„Du solltest das Wiehlberg zeigen“, sagte Frauke.
„Damit es mit Dieter von Minute zu Minute ärger wird, weil ich schwuler Spielverderber ihn anschwärze? Vergiss es.“
„Dann sage ich ihm, was Sache ist.“
„Lass gut sein, Frauke“, murmelte Joachim matt. „Ich beneide dich bloß um dein Einzelzimmer.“ Er lächelte die kleine, stämmige Kollegin müde an. Frauke erwiderte das Lächeln.
„Das gebe ich nicht her, Achim. Aber warte! Das Anwärterzimmer ist doch frei. Magst du nicht da hineinziehen? Es ist zwar ein wenig klein und dunkel …“
„Ich würde in eine Besenkammer ziehen, wenn ich dafür Dieter nicht ständig sehen muss.“
Frauke war schon zur Tür unterwegs.
„Ich spreche sofort mit Wiehlberg. Der ist mir nämlich wegen des letzten Betriebsfests einen großen Gefallen schuldig.“
Zehn Minuten später war sie zurück und strahlte über das ganze Gesicht.
„Komm, ich helfe dir beim Umziehen.“
Joachim starrte sie an. „Ich bekomme tatsächlich das Einzelzimmer?“
Frauke nickte. „Ab morgen musst du Dieter nicht den ganzen Tag über ertragen, Achim. Ist das nicht toll?“
„Großartig. Danke, Frauke. Ach, übrigens … Freunde sagen Jo zu mir.“
Frauke musterte ihn kurz.
„Du hast nicht viele Freunde, oder, Jo?“, fragte sie feinfühlig.
„Nein, sie gehen mir gerade irgendwie aus.“
Als Joachim nach Feierabend zu seinem Auto zurückkehrte, stellte er fest, dass jemand Schwuchtel in den dunkelblauen Lack seines Golfs geritzt hatte. Das konnte unmöglich wahr sein! Mit dem Finger fuhr er über die Kratzer, die ziemlich tief waren. Er würde die komplette Tür neu lackieren lassen müssen. Den Knetdödel konnte er als Witz auffassen,
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