Waldmeister mit Sahne
zwanzig Grad unter null.“ Joachim versuchte unter Michas Blick nicht zu grinsen, was ihm aber gründlich misslang.
„Sehr witzig. Überleg dir lieber, welche Konsequenzen es für dich hat, wenn ich mir die Eier abfriere. Mann, ich sitze wegen einer beschissenen Erbsenpistole in der Schweinekälte.“
„Die Kerzen und der Sekt … Du hattest einen besonderen Abend geplant, nicht wahr?“, fragte Joachim.
Micha ließ sich auf die Bank plumpsen, um sich dicke Wollsocken über seine eisigen Füße ziehen zu können.
„Ich wollte endlich wieder einen richtig romantischen Abend“, murmelte er und versuchte mit seinen tauben Fingern einen Schnürsenkel zu binden.
„Lass mich machen.“ Joachim kniete vor ihm nieder und band die Schuhe zu. Mit einem versöhnlichen Lächeln schaute er zu Micha auf.
„Was hältst du davon, wenn du dich zu Hause in die Badewanne sinken lässt und dich dort auftaust, während ich dich verwöhne?“
Micha schien darüber nachzudenken. „Könntest du mich in den Arm nehmen?“
„Du verzeihst mir also?“, fragte Joachim und schlang bereitwillig seine Arme um Micha. Der schmiegte sich dicht an ihn.
„Nein. Mir ist bloß furchtbar kalt.“
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Auf dem Weg nach Hause musste Joachim unbedingt noch einmal wegen seines Seelenfriedens nachfragen:
„Du bist wirklich nicht mehr an diesem Olaf interessiert?“
„Wir waren knapp zwei Jahre zusammen. Während dieser Zeit hat es mich bereits ziemlich genervt, dass der Spackel kein Nein akzeptieren konnte“, erklärte Micha und presste den Bademantel an sich, um seine Hände darunter zu wärmen. Die Handschuhe hatte Joachim nämlich vergessen. „Olaf Eltern sind verdammt gut betucht und er hatte immer alles haben können, was er sich wünschte. Bis er sich als schwul outete und seine Eltern ihm in ihrer Enttäuschung den Geldhahn zudrehten. Olaf kompensierte das, indem er sich voll in die schwule Szene stürzte. Nicht lange danach waren wir ein Paar und er wurde zum Glück etwas ruhiger. Mit einem Nein konnte er nicht viel anfangen und er war furchtbar besitzergreifend und eifersüchtig. Es gab ständig ein Riesentheater, wenn ich mal ohne ihn irgendwohin wollte.“ Micha verstummte in Gedanken versunken.
„Klingt anstrengend“, murmelte Jo.
„Hm. War es.“ Micha blieb stehen und angelte nach dem Bademantelgürtel, der sich selbständig machen wollte.
„Wir können ihn in die Tüte packen.“ Jo hob die Tasche an, in der er Michas Klamotten transportiert hatte und in der nun die Erbsenpistole lag.
„Nö, geht schon.“
„Was ist denn dann passiert?“
„Was soll passiert sein?“ Fragend schaute ihn Micha an.
„Na, mit deinem Olaf.“
„Der begann mir tierisch auf die Nerven zu gehen. Ich glaube, ihm haben wir es zu verdanken, dass das Wort Stalker im Duden steht.“
„Er hat dich verfolgt?“
„Auf Schritt und Tritt. Es war nicht mehr zum Aushalten. Nicht einmal zu Hause hatte ich meinen Frieden.“ Micha fuhr sich durch das zerzauste Haar und schenkte ihm ein leidvolles Lächeln. „Irgendwann ist es dann eskaliert. Wir haben uns gestritten und Olaf verschwand mit meiner Kaffeedose, in der mein Erspartes lag. Von seinen Eltern erfuhr ich, dass er wegen eines Selbstfindungstrips nach Amerika gegangen ist. Nein hat er dort offenbar auch nicht gelernt.“
„Sieht so aus“, murmelte Joachim. Trotzdem war Olaf jünger, hatte mit Micha eine gemeinsame Vergangenheit und manche Männer mochten es, wenn sich jemand derartig hartnäckig zeigte. Vielleicht gehörte Micha genau zu diesem Personenkreis …
„Ich liebe dich, Jo.“
Hatte da jemand seine Gedanken gelesen?
„Zerbrich dir bitte nicht wegen Olaf den Kopf. Der Typ ist total abgehakt, abgehakter geht gar nicht.“
„Ehrlich?“
Micha blieb stehen und hob die Hand zum Schwur. Dabei fiel ihm der Bademantel herunter.
„Ich schwöre“, sagte er feierlich und besiegelte den Eid mit einem Kuss. „Und das sage ich nicht nur, weil du bewaffnet bist.“
Vom ständigen Husten schmerzte sein Hals und Taschentücher hatte Michael auch keine mehr. Lautstark zog er den Rotz durch die Nase, ehe der auf die Bettdecke tropfen konnte. Wehleidig kroch er aus dem Bett und hob den verflixten Bademantel vom Fußboden auf, dem es nicht gelungen war, ihn in einer eiskalten Nacht warmzuhalten. Michael war erkältet und zwar volles Programm. Seine Stirn glühte vor Fieber und er konnte dankbar sein, dass er sich weiterhin unter den Lebenden befand. Schwankend und
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