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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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scheiterte«, meinte er schließlich. »Wusstet Ihr eigentlich, dass die Legende auch sagt, es würde eines Tages ein kleinwüchsiger, aber tapferer Ritter aus einem fernen Land kommen und das Rätsel des Schwertes lösen?« fragte er mich dann.
    »Nein, diesen Teil kenne ich nicht.«
    Er schnaubte etwas verächtlich durch seine Nase. »Nun, seid nicht voreilig mit Euren Schlussfolgerungen. Auch ich dachte einmal, dass ich dieser Mann wäre. Doch das ist viele Jahrzehnte her. Heute glaube ich, es ist nur eine Geschichte, mit der die Menschen die Legende ausgeschmückt haben. Bis Ihr kamt, habe ich sogar geglaubt, es habe dieses Schwert nie gegeben.«
    Von da an sprach er kein Wort mehr an diesem Abend.
    Am nächsten Morgen erhob ich mich früh von meinem Lager. Der Alte war bereits auf und hatte mir einen Becher mit Schafsmilch, einen köstlichen gesalzenen Fisch und sogar ein Stück Käse auf den Tisch gestellt. Ich hatte noch nie etwas so Herrliches gegessen. Als ich ihn nach der Herkunft der Speisen fragte, erklärte er knapp, der Fisch stamme aus dem Meer, das Salz auch. Es sei der große Reichtum dieser Gegend, ein Geschenk des Herrn. Denn es gebe seines Wissens kaum eine Stelle auf dieser Welt, in der dieses kostbare weiße Gold in so hoher Qualität gewonnen werde. Gut gesalzen hielten sich die Fische sehr lange, und so könnten die Händler sie auch leicht im Inneren des Landes verkaufen. Jetzt erinnerte ich mich an den Händler, den wir getroffen hatten.
    Ich erzählte ihm, dass das Salz in meiner Heimat oft tief aus der Erde heraufgeholt werden muss. »Das ist es, was ich meinte, mit dem Geschenk des Herrn. In unseren Salzgärten tut die Sonne einen großen Teil der Arbeit. Gleichwohl ist die Gewinnung des Salzes für die Menschen noch mühsam genug.« Damit verfiel er wieder in sein gewohntes Schweigen.
    Ich dankte ihm von Herzen für das Obdach dieser Nacht. Es war umso tröstlicher für mich gewesen, als ich nicht wusste, was mich am Ende dieses Tages erwartete. Er gab mir einen gesalzenen Fisch und ein Stück Käse als Wegzehrung mit sowie ein wenig Wasser. »Ihr könnt heute Abend wiederkommen, falls Ihr dann noch lebt«, rief er mir zum Abschied hinterher.
    Den ganzen Tag über erkundete ich die Gegend. Ich kletterte ungelenk zwischen den Felsen umher, sammelte allerlei Muscheln und krabbelndes Meeresgetier, das ich voll Neugier studierte. Dabei stelle ich zu meinem Erstaunen fest, dass die Küste ganz anders aussah als noch am Abend zuvor. Mit einem mal bemerkte ich Felsen, die mir völlig fremd vorkamen. Und dann, während ich so auf einem der Steine saß und mir die Sonne auf den Kopf schien, bemerkte ich, dass das Wasser immer näher kam. Manche Steine hatte das Meer einfach verschluckt. Da brachte ich mich schleunigst in Sicherheit.
    Den Rest des Tages war ich vollauf damit beschäftigt, die Vögel und das Steigen und Fallen des Meeres zu beobachten. So verging die Zeit schnell, und ich merkte schließlich, dass es langsam kühler und somit Abend wurde. Es war Zeit, zum Kreuz zurückzukehren. Meine Angst war merklich kleiner geworden. Als hätte das Meer sie einfach mit sich fortgenommen. Was immer am Ende dieses Tages auch geschehen würde: Ich hatte eines der größten Wunder dieser Welt sehen dürfen.
    Die Sonne war schon fast im Westen versunken, als ich bei dem Kreuz angelangt war. Wie am Tag zuvor ragte es schwarz und drohend in den Himmel. Außer dem Donnern der Brandung gegen die Felsen und den eigenartig knarrenden, klagenden Schreien der grau-weißen Vögel, die sich vom Wind über die Wellen tragen ließen, vernahm ich keinen Laut. Immer wieder sah ich zu dem Kreuz hinüber. Ich saß etwas abseits auf einem Stein.
    Dann wurde es dunkel. Mit dem Wind, der seit dem Nachmittag aufgekommen war, waren inzwischen auch einige Wolken aufgezogen. Deshalb konnte ich am Himmel nur wenige Sterne blitzen sehen, und auch der Mond erschien nur hin und wieder, wenn es zwischen den Wolken eine Lücke gab.
    Ich tastete nach dem Dolch unter meiner Kutte, den Beringo mir mitgegeben hatte. Noch immer geschah nichts. Es wurde kühler, und ich schlüpfte in meine Kukulle, um mich etwas aufzuwärmen. Dann hielt ich es nicht länger aus. »Ich bin hier, Stimme. Nun halte du auch dein Wort. Oder hast du inzwischen vielleicht Angst bekommen?« brüllte ich mit aller Stimmgewalt, die ich aufbringen konnte, gegen den Wind an.
    Da löste sich eine Gestalt aus dem Kreuz. Ich konnte nur Umrisse erkennen. Das war

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