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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Familie. Auch wenn du etwas kleiner geraten bist als wir übrigen.«
    Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr. Beringo duzte mich plötzlich. Mein Kopf schmerzte, als hielte ein Schmied meinen Schädel für einen Amboß. Dann wurde es Nacht um mich.
    Das Gemurmel wollte einfach nicht aufhören. Es rief mich immer wieder aus dem Dunkel zurück. Ich schlug die Augen auf und wusste im ersten Moment nicht, wo ich war. Als ich den Kopf zur Seite drehte, sah ich Beringo und den Mönch, die miteinander in ein Gespräch vertieft waren. Ich verstand nicht, was sie sagten, denn sie redeten in einer mir fremden Sprache, die eine ganz eigene Musik hatte. Jetzt wusste ich, woher Beringos Singsang beim Sprechen kam.
    Ich lag auf dem Boden, auf einer Lage Heu, warm eingepackt in Felle, und versuchte mich zu erinnern. Dann brachen die Bilder über mich herein. Ich erinnerte mich an den Kampf, an jeden einzelnen Augenblick. Und dass ich Sophias Bruder getötet hatte. Ich muss wohl gestöhnt haben, denn Beringo und der alte Mönch Gildas wandten sich zu mir um.
    »Nun bist du also wieder aufgewacht. Das ist gut. Wir dachten schon, der Blutverlust hätte dich zu sehr geschwächt und du würdest uns unter den Händen wegsterben. Aber du bist zäh. Ich wusste, dass du es schaffen würdest.« Beringo strahlte.
    Ich richtete mich langsam auf. Das Pochen in meinem Kopf war fast unerträglich. Als ich saß, wurde es langsam besser. Doch ich war noch nicht in der Lage zu reden. Mein Mund war so trocken, dass die Zunge am Gaumen klebte.
    Da kam auch schon Gildas mit einem Becher Wasser zu mir. »Hier, trink, du musst die Flüssigkeit in deinem Körper auffüllen.« Ich habe in meinem Leben nie wieder etwas getrunken, das so köstlich schmeckte wie dieses Wasser. Ich trank den Becher mit einem Zug leer. Gildas lachte und schenkte mir nach. »Trink, mein Freund. Trink, soviel du kannst.«
    »Auch Durst«, tönte es da aus einer anderen Ecke des Raumes. Ich schaute hinüber und sah Meginfried dort auf dem Boden sitzen, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, noch immer fest verschnürt. Da erinnerte ich mich auch, dass er mich hatte töten wollen.
    »Binde ihn los, und gib ihm etwas zu trinken«, bat ich Beringo. Meine Stimme klang rau in meinen Ohren. Sie gehorchte mir noch nicht ganz.
    Der kleine Bretone schüttelte den Kopf. »Dann wird er auf dich losgehen und dich mit seinen Pranken erwürgen. Du bist noch zu schwach, um dich zu wehren.«
    »Meginfried tat nur seine Pflicht. Er war seinem Herrn treu und verteidigte die Ehre der Familie, der er diente. Das ist kein Grund, einen Mann zu fesseln. Außerdem ist er unser Freund. Beringo, ich bitte dich, binde ihn los. Wenn er es will, und wenn es denn sein muss, dann soll er mich töten. Nach dem, was geschah, ist mir mein Leben nicht mehr allzu viel wert.«
    »Du bist von einer ganz besonderen Halsstarrigkeit«, klagte Beringo. Dann baute er sich vor Meginfried auf. »Es mag ja sein, dass du handelst, wie es dir deine Ehre und dein Gewissen befiehlt. Doch sei gewiss, wenn du unserem Mönch hier zu nahe trittst, solange er sich nicht gegen dich wehren kann, dann werde ich dich persönlich in die Hölle befördern.«
    Der Riese nickte. »Ich werde ihm nichts tun.«
    Beringo schien noch zu zögern.
    »Bitte, mein Freund, binde ihn los«, forderte ich ihn noch einmal auf.
    Da tat er es, doch er behielt ihn die ganze Zeit über genau im Auge. Ich sah, dass er seine rechte Hand ganz in der Nähe seines Dolches hatte. Sie waren wie zwei Tiere, die einander belauerten.
    »Hört endlich auf« — mein ganzer Körper schmerzte höllisch, doch ich stand auf und stellte mich zwischen sie.
    »Er ist ein Lump«, knurrte Beringo, doch ich sah, dass er in seiner Meinung wankend wurde.
    Meginfried senkte den Kopf. »Waldo hat meinen Herrn in einem offenen Zweikampf gegenübergestanden. Und er hat ihn gewonnen. Gott hat sich auf seine Seite gestellt. Der Ehre der Familie ist Genüge getan. Nun will ich gehen, um euch von meinem Anblick zu befreien.«
    Beringo hatte große Augen bekommen. »Potztausend, Meginfried, das ist die längste Rede, die ich jemals von dir gehört habe. Du kannst ja sprechen wie jeder von uns! «
    »Ich wollte nicht, dass man an meiner Sprache erkennt, woher ich komme, um meinen Herrn nicht zu verraten«, erklärte der Riese. »Deshalb sprach ich so wenig wie möglich. «
    »Ich bin froh, mein Freund, dass du dich entschieden hast, unserem Mönch nichts anzutun. Hier meine Hand, Meginfried.

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