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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Abreise verabredet, dass wir uns eine Woche später in Redon wiedersehen würden, um dann das Kreuz zu suchen.
    Ich ging etwas weiter, als ich wollte, um durch ein wenig Bewegung meine Unrast loszuwerden. Doch das Gefühl der Unruhe und einer dunklen Ahnung von kommendem Unheil ließ sich nicht abschütteln. Im Gegenteil, es wurde immer drängender. Ich wusste auf einmal, dass etwas auf mich wartete. Als würde das Kreuz von Ar Kroazig mich rufen wie in meiner Vision. Ich hatte dieses Gefühl schon während der Reise hin und wieder gehabt. Doch es war durch die vielen Eindrücke immer wieder in den Hintergrund gedrängt worden. Aber seit wir in Redon waren, wurde es mit jedem neuen Tag, der heraufdämmerte und an dem ich zur Untätigkeit gezwungen war, stärker.
    Meine Ahnung hatte mich nicht getrogen. Da war sie wieder, die Stimme. Ihr drängendes Flüstern entsprach meinem inneren Zustand. Doch dieses Mal sagte sie etwas mehr. »Komm zum Kreuz. Komme schnell und allein, wenn dir dein Leben lieb ist.«
    Dieses Mal versuchte ich nicht, wie ein Gejagter den Sprecher zu finden. Zum ersten Mal antwortete ich. Laut und deutlich. »Ich komme zum Kreuz von Ar Kroazig. In drei Tagen um diese Stunde, bevor die Sonne hinter dem Horizont versinkt, werde ich dort sein. Gnade dir Gott, wenn du nicht einen guten Grund hattest, mich zu rufen.«
    Da sprach auch die Stimme noch einmal, sie klang wie früher, drohend und bösartig. »Du wirst den Grund erfahren, Mönch, bevor du in die Hölle fährst.«
    Es war wie eine Befreiung. Wer immer mein Verfolger auch war, ich würde ihn endlich kennenlernen. Das machte mir zwar angst, aber es würde auch das Ende dieses schrecklichen Alptraums bedeuten.
    Beringo kam wie verabredet zurück. Er erzählte kein Wort von seiner Familie. Meginfried und ich drängten ihn auch nicht dazu. Seine Miene war ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten finster und verschlossen. Er sprach auch sonst kaum ein Wort. Es mussten ihn bei seiner Heimkehr schlechte Nachrichten erwartet haben.
    An diesem Abend erzählte ich meinen beiden Freunden, dass die Stimme wiedergekehrt war und was sie gesagt hatte. »Ich werde dieses letzte Stück der Reise allein zurücklegen«, erklärte ich ihnen. Beide weigerten sich, mich ziehen zu lassen. Doch ich blieb fest.
    »Ich bin es, zu dem die Stimme spricht. Ich werde allein gehen. Denn sonst erfahre ich vielleicht niemals, welche Bewandtnis es mit ihr hat. Ich flehe euch an, bei der Freundschaft, die uns verbindet, steht dem nicht mit unnötiger Sorge um mein Wohlergehen im Wege.«
    Da widersprachen sie nicht mehr. Beringo aber reichte mir seinen Dolch. Es war eine prächtige Waffe, wie gemacht für einen Fürsten. »Dann nimm wenigstens diesen hier, damit du dich schützen kannst«, meinte er. Ich tat ihm den Gefallen. Auch wenn man mit Dämonen nicht auf diese Weise kämpfen kann. Ich fühlte mich allerdings lange nicht so tapfer und sicher, wie ich vorgab. Denn es war seltsam, dass ein Dämon ausgerechnet das Symbol des Leidens und Todes unseres Herrn Jesus für eine Begegnung mit mir ausgesucht hatte.
    Beringo beschrieb mir den Weg nach Ar Kroazig. Am nächsten Morgen ritt ich lange vor Sonnenaufgang los, um zur verabredeten Zeit dort sein zu können.
    Es war, als würde eine unsichtbare Hand mich führen. Als die Sonne langsam zu sinken begann und das Land in ihr rotes Licht tauchte, ritt ich durch Ar Kroazig. Die Menschen, die dort lebten, ernährten sich offensichtlich hauptsächlich von den Früchten des Meeres. Überall sah ich Gegenstände bei den Häusern, die für den Fang von Fischen bestimmt waren. Die Männer saßen vor den Hütten, die sich um einen kleinen natürlichen Hafen gruppierten, und nutzten das letzte Licht des Tages, um an ihren Netzen zu arbeiten. Sie sahen wohl nicht oft einen Fremden, denn ich bemerkte, dass sie mich aus den Augenwinkeln heraus genau beobachteten. Hin und wieder kam auch eine Frau aus ihrer Hütte, wenn sie die Hufe meines Pferdes hörte. Zumeist ertönte dann das Brummen eines Mannes, und die Frau ging schnell wieder ins Haus. Die Kinder indessen zeigten weniger Zurückhaltung. Schnell hatten sich zehn oder mehr kleine Bengel gefunden, die mich mit viel Lärm, Lachen und heftigen Debatten in einer Sprache, die ich nicht verstand, begleiteten. Doch sobald ich sie ansprach, versteckten sich die Kleineren hinter den Großen, und dann kam eine der Mütter aus ihrer Hütte gestürzt und rief ihre Sprösslinge in befehlendem Ton zu

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