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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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in den Saal zurück. Gudrun schritt ihm hier entgegen, einen goldenen Becher in der Rechten, zwei Speere in der Linken; sie stellte sich durch solche Totenehrung versöhnt: "Heil dir, König! Empfange als Gudruns Gabe ihrer Brüder Speere." Und sie rüsteten gemeinsam ein Trinkgelag [Fußnote: Ein Erbmahl, wie es der Erbe zum Gedächtnis des Verstorbenen und als Zeichen des Antritts der Erbschaft den Freunden und Nachbarn bereitet.] zum Gedächtnis aller Gefallenen. Mit Pracht und Überfluss bereitet, stand bald das Mahl in der gesäuberten Halle.
    Gudrun aber nahm grimmen Herzens Rache, die grässlichste, die je ein Weib ersonnen hat.
    Sie lockte ihre und Atlis Söhne in ihr Gemach und schnitt ihnen die Hälse ab. Und als die Helden abends zusammengeschart im Saal sassen und die Becher klangen, schenkte sie Wein und reichte dem König Leckereien. Er trank und fragte, ob seine Söhne draussen spielten, da er sie nirgends sehe.
    "Du erschlugst mir die Brüder," antwortete Gudrun, "und höhntest mich noch am Morgen; der Abend ist gekommen; ich biete dir Gleiches. Du ziehst sie fürder nicht an dein Knie, weder Erp noch Eitil; nie siehst du sie wieder von deinem Sitze herab Pfeile schäften, Mähnen glätten und Mähren tummeln. Ihr Blut mischte ich in deinen Wein, ihre Schädel waren dir Trinkschalen, ihre Herzen assest du gierig für Kalbsherzen; nichts liessest du übrig von der Speise. Du weisst nun, wo deine Knaben sind. Ich tat, was ich musste. Ich lobe es nicht."
    Entsetzt fuhren die Männer auf von den Bänken und hoben drohend die Waffen; – und alle weinten, nur Gudrun nicht; nie weinte sie, seit sie Atlis Weib geworden war.
    "Übergrimmig bist du," rief der König, "da du das vermochtest! Morgen sollst du gesteinigt werden und verbrannt auf dem Scheiterhaufen."
    "Sieh selber morgen, solches zu meiden; schöneren Todes will ich in ein andres Licht fahren."
    Berauschenden Trankes war übergenug in der Halle; das meiste Volk sass trunken oder schlafend da.
    Auch Atli hatte sich besinnungslos getrunken und suchte sein Lager. Als er eingeschlafen war, nahm Gudrun einen Dolch und durchbohrte ihm die Brust. Er erwachte, fühlte die Wunde, und sah mutig sein Ende nahen: "Wer erschlug Budlis Sohn?" fragte er.
    "Ich hehl’ dir’s nicht; ich tat’s."
    "Falsch ist, wer den vertrauenden Freund betrügt! Als ich ausritt, um dich zu werben, nannten sie dich hoffärtig und wildherzig. Das war keine Lüge. Ich hab’s erfahren. Reichen Mahlschatz zahlte ich dir, und dich dünkte alles wie nichts. Seit du hier waltest, fand ich von Herzen froh keinen mehr der Hausgenossen."
    "Du lügst, Atli! – Selten zwar war ich sanft, doch du mehrtest stets meinen Zorn. Andres fand ich hier als bei den Giukungen und Sigurd! Ihr Brüder strittet hässlich um euer Erbe untereinander. Zu Grunde ging alles, was diesem Hause zum Heile sein sollte. Meine Brüder und Sigurd, als sie in Treue beisammen standen, waren unbezwingbar. Sie fuhren auf Glück und Sieg; sie erschlugen, wer uns nicht huldigte. Nach Willkür riefen wir aus den Wäldern Friedlose zurück und gaben dem die Macht, der uns beliebte. Als Sigurd starb; – da sank mein Glück; herb war da mein Kummer. Doch härtet die Qual, dir zu folgen. Ein Held war Sigurd. Nie kamst du vom Kampf und hattest den Feind gefällt. Ich liess es beruhen; doch dich ehrte das nicht."
    "Die zornigen Worte bessern unser beider Los nicht. Sorge nun, Königin, für des Königs Ehren, wenn man ihn hinausträgt."
    "Ich will ein Schiff kaufen und eine bunte Bahre und sorgen für alles – als ob wir uns hold wären," sprach Gudrun, von des Königs heldenmütiger Ruhe, mit der er starb, gerührt.
    Atli lag tot; der Tag brach an und Gudrun erfüllte, was sie ihm versprochen. Er wurde in ein Schiff gebahrt, mit allen Ehren, welche die Königswürde heischte, und Wind und Wellen der See übergeben. – –
    Trauernd sassen Atlis Mannen in der Burghalle. Als die Nacht kam und die Burgleute schliefen, löste Gudrun die Hunde von der Kette, legte Feuer an die Halle und verbrannte alle, die darin lagen und beim Mord ihrer Brüder geholfen hatten.
    Der ganze Bau stand in Flammen; Schatzkammern und Gebälk stürzten ein; – auch die Mägde sanken tot in heisse Glut, und Gudrun wollte nun auch sterben [Fußnote: Es ist kein Zeugnis aufbewahrt, dass sie jetzt, sich etwa auch in die Flammen stürzend, gestorben sei, aber wohl nach der ursprünglichen Gestaltung der Sage anzunehmen. Spätere Weiterbildung liess

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