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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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erprobt; gehe zu meiner Tochter, trage ihr Nordungs Werbung vor und erforsche, ob sie gern einwilligt." Helche wohnte in einem besonderen Teil der Burg mit Bertha, ihrer Schwester, und dreissig Jungfrauen, und nie durfte dorthin zu ihnen ein Mann kommen. Rüdiger ging nun an das Tor und bat, dass man ihm aufschliesse. König Oserich und Nordung standen aber auf der Burgmauer und sahen alles. Als Helche hörte, dass ein Sendbote ihres Vaters gekommen war, liess sie ihn hereinführen und hiess ihn willkommen.
    "Du musst ein weiser Mann sein," sagte sie dann: – "zweimal zwölf Monate bist du hier und forschtest nur nach Nützlichem; auch kamst du niemals hierher zu müssigem Gespräch."
    "Frau, das geschieht nicht oft in unserm Land, dass ein Mann zu seiner Königin geht zum Gespräch, ausser der König erlaubt es; weil aber dein Vater mich zu dir sendet, so dürfen wir jetzt heimlich miteinander reden."
    "Geh’ hinaus," sagte Helche zu ihrer Schwester, "und ihr Mädchen alle; wir wollen allein bleiben."
    "Gehen wir lieber in den Garten," riet der Markgraf. "Dein Vater steht auf der Burgmauer und kann uns von dort sehen und dennoch wird niemand unser Gespräch hören."
    "Fürwahr, du bist ein Mann von feinen Sitten und geschickten Gedanken," antwortete sie und bat ihre Schwester, zwei Polster unter den Lindenbaum in den Garten tragen zu lassen. Dort setzten sich die zwei unter den Baum, und die Könige Oserich und Nordung sahen sie von der Mauer her. Als die Mädchen sich entfernt hatten, hub der Markgraf an: "Jungfrau, nun sieh’ auf mich, wenn ich meinen Hut abnehme. Ich betrog Männer und Frauen, betrog Nordung und Oserich und habe dich betrogen, Königskind; ich bin nicht Siegfried, ich bin Rüdiger, König Etzels Markgraf. Für ihn werb’ ich um dich, nimm ihn zum Mann! Burgen und Kleinodien wird er dir geben, die edelsten Frauen werden dir dienen, mächtige Herzoge deine Schleppe tragen, du selbst aber sollst Königin sein zuhöchst über die Welt." Voll mutigen Zorns rief Helche Bertha herbei: "Höre, süsse Schwester, dieser ist nicht Siegfried, sondern Rüdiger, und er betrog uns alle! Markgraf, nun soll mein Vater an dir Rache nehmen, weil du ihm fünfhundert Ritter auf der Walstatt erschlugst."
    "Tu’ lieber, was ich dir sage," entgegnete ruhig der Markgraf, "und werde Königin von Heunenland, jung Bertha aber werde meine Frau."
    Bertha war herangetreten: "Du bist ein Königskind," sprach sie stolz zu ihrer Schwester, "und sollst den Mann nicht verderben, der vertrauend sich in deine Gewalt gab. Denke nun deines Wunsches, ‘dass ich doch Etzels Königin würde!’ Siehe! Die Götter haben deinen Wunsch erhört; folge dem Markgrafen und ich ziehe mit dir."
    "Wohlan," sprach Helche, "du kühner Mann, ich will Etzels Königin werden und Bertha werde deine Frau; nimm diesen Goldring zum Pfande."
    König Oserich und Nordung sahen, wie der Markgraf den Ring empfing und dachten, dass Helche Nordungs Werbung annehme. Der Markgraf aber ging zu ihnen und sagte: "Herr, deine Tochter will keinen Mann in den nächsten zwölf Monden; zum Pfand dafür gab sie mir diesen Ring." König Nordung war gern bereit, die Frist abzuwarten und ritt zurück in sein Reich. Oserich wollte dem Markgrafen nun Ritter und Burgen verleihen, wenn er sein Dienstmann würde. Doch Rüdiger bat um Urlaub, seinen Bruder zuvor zu holen: "Der soll dir dienen, er ist ein weit tapferer Mann als ich." Und weil Oserich beide Degen zu gewinnen hoffte, liess er Rüdiger ziehen. Der ritt aber zu jenem Wald zurück, wo seine Gefährten verweilten, holte Osid, den jungen Bruderssohn Etzels, und stellte ihn Oserich als seinen Bruder vor. Nach einigen Tagen war es ihnen gelungen, des Königs Töchter mit ihrem Plan vertraut zu machen. Am Abende, als alle in der Burg schliefen, gingen die kühnen Recken zu ihren Rossen und ritten an den Turm der Frauen; Helche und Bertha kamen ihnen unter dem Tor entgegen. Rasch schwangen die Männer die Jungfrauen auf ihre Rosse und ritten fort, so schnell ihre Renner nur liefen, Tag und Nacht. Als Oserich des Verrates gewahrte, liess er eine Schar rüsten und fuhr ihnen nach. Die Fliehenden erreichten bald die im Walde Verborgenen und zogen gemeinsam mit ihnen ins Heunenland. Aber so eilig folgten ihnen die Wilkinen, dass die Verfolgten nicht mehr entrinnen konnten; sie erreichten noch eine Burg im Falstrwald, ritten hinein und sperrten die Tore hinter sich zu. König Oserich lagerte sein Heer rings um die Burg und

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