Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
fünfhundert Kriegern und all seinen Schildgefährten. Wittig aber forderte von Heime sein Schwert zurück. Auf vieles Bitten beliess er es ihm aber noch für diesen Kriegszug und trug so lange Nagelring. Dietrich und Ermenrich zogen nun mit Feuer und Schwert durch Rimsteins Land, bis sie vor seine feste Burg Gerimsheim kamen, in welcher er sich verschanzt hielt. Sie lagerten ihre Heere rings um die Stadt, schlugen die Zelte auf und bestürmten wochenlang vergebens die starken Mauern.
Da ritt eines Abends Rimstein mit sechs Männern aus der Burg auf Spähe, nachdem er zuvor seine Krieger kampfbereit aufgestellt hatte an allen Toren in der Stadt.
Als Rimstein zurückkehrend zwischen die Lagerzelte der Feinde und die Mauern der Burg kam, ritt ihnen ein Mann entgegen, das war Wittig. Bald erkannten sie, dass er ein Feind war; sie stiegen von den Rossen und griffen ihn an. Wittig setzte sich grimm zur Wehr und zerspaltete Rimstein Helm und Haupt; tot fiel er zur Erde. Seine Begleiter sprangen bestürzt auf ihre Rosse und flohen in die Stadt.
Wittig aber ritt, seinen Hengst lustig tummelnd, ins Lager zurück.
König Dietrich und alle sahen ihn kommen, und Heime sprach: "Seht, stolz reitet Wittig heran; gewiss hat er etwas vollbracht, das ihm eine Heldentat dünkt und seinen Übermut noch grösser macht!"
Wittig rief den Freunden schon vom Ross herunter zu:
"Nun braucht ihr wegen Rimsteins nicht länger hier zu liegen; Rimstein ist tot."
Alle fragten, wie das geschehen sei oder wer denn das getan habe?
"Das tat der Mann, der jetzt von seinem Hengste springt," antwortete der Gefragte und stieg ab.
"Wahrlich ein geringes Heldenwerk," sprach Heime darauf; – "Rimstein war alt und schwach, jedes Weib hätte ihn erschlagen können." Zornig sprang Wittig auf Heime zu und riss ihm Mimung von der Seite. Nagelring warf er ihm vor die Füsse und forderte ihn zum Zweikampf. Aber Dietrich und alle Schwurbrüder sprangen dazwischen und baten Wittig, davon abzustehen. Jedoch zürnend antwortete der: "Stets schmähte mich Heime; genug des Grolls tragen wir einander! Als ich auf der Walstatt lag, – statt mich zu bergen, – entwandte er mir mein Schwert; wenig männlich war das! Früher oder später muss es doch ausgefochten werden zwischen uns, und nicht eher soll Mimung wieder in seine Scheide kommen, bis er nicht zuvor mitten durch Heimes Haupt gefahren ist."
Da sprach König Dietrich: "Heime, du hast nicht wohlgetan! – Nun versöhne Wittig; du schufst ihm den Zorn." Und die Waffenbrüder liessen nicht ab, bis sie den Streit schlichteten und Heime mit einem Eide schwur, nur scherzweise, nicht Wittig zur Schmach, habe er die Worte gesprochen. Und so gewann Wittig Mimung zurück.
Am andern Tag erfuhr König Ermenrich Wittigs Heldentat; da liess er sofort Sturm laufen gegen die Stadt, und die führerlosen Eingeschlossenen fanden nichts Weiseres zu tun, als sich seiner Gewalt und Gnade zu übergeben.
Ermenrich gewährte ihnen Frieden für Leben und Habe, die Stadt aber nahm er für sich zu eigen und setzte Walther von Wasgenstein darüber als Vogt. Dann zogen die Könige mit ihren Heeren wieder ab, jeder in seine Heimat.
3. Herburt und Hilde.
Graf Herdegen war vermählt mit Isolde, König Dietrichs Schwester; sie hatten drei Söhne, – der älteste hiess Herburt, der zweite Herdegen, der jüngste Tristram. Wie sie heranwuchsen, gab der Graf ihnen Wigbald, einen tüchtigen Kämpen, zum Meister, der lehrte sie das Waffenwerk und alle höfischen Künste. Herburt und Herdegen waren gelehrige Schüler, Tristram aber lernte langsam und schwer. Als sie einst mit ihrem Meister zu Tische sassen, sprachen die älteren Brüder, dass Tristram das Waffenwerk nicht lernen könne, und es sei besser, er beschäftige sich mit anderm. Aber Tristram entgegnete: "Ich will mich mit euch im Fechten versuchen; dann wollen wir sehen, was ich davon verstehe! Und gleich auf der Stelle lasst uns das tun." Nun gingen sie hinaus und nahmen ihre gewöhnlichen Schwerter, die waren nicht geschärft.
"Stumpfe Schwerter schneiden keine Wahrzeichen," rief Tristram, "lasst uns scharfe nehmen."
Wigbald, der ihnen gefolgt war, wollte versuchen, was sie gelernt hätten, und gab ihnen geschärfte Klingen, ermahnte sie aber, sich nicht zu verfeinden, wenn auch einer den andern verwunden sollte.
"Fürwahr, das soll mich nicht anfechten," antwortete siegesgewiss Herdegen und wollte sich zuerst mit Tristram versuchen. Zornig schwang der sein Schwert empor, ging
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