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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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dem Bruder entgegen und hob seinen Schild. Meister Wigbald schalt ihn, weil er den Schild verkehrt hielt, und wollte ihn darin unterweisen, doch heftig wies ihn Tristram zurück: "Hab’ ich zuvor nichts gelernt, so hilft mir die Lehre jetzt auch nichts mehr." Herdegen glaubte seinem Bruder jeden Hieb versetzen zu können, wenn er sein nicht schonen wolle. Tristram holte nun aus zum Hieb, Herdegen schwang den Schild entgegen; doch rasch stiess ihm Tristram das Schwert unter dem Schild in die Weiche, ihn ganz durchbohrend; tot fiel Herdegen zu Boden.
    Tristram schleuderte den Schild von sich, schritt mit gezücktem Schwert hinweg und ritt aus dem Land. Er kam nach Brandinaborg und trat in des Herzogs Iron Dienste. Als aber der Vater das Geschehene erfuhr, ward er überaus zornig auf Herburt: "Nun hab’ ich zwei Söhne auf einmal verloren! Du allein trägst die Schuld; weil der älteste, hättest du ihr törichtes Unternehmen verhindern müssen. Dir gebührte, dass du die Tat büsstest; – niemals wirst du ein tüchtiger Mann."
    Herburt nahm sich des Vaters Zorn sehr zu Herzen; ohne langes Besinnen sattelte er sein Ross und ritt nach Bern zu seinem Oheim Dietrich und klagte ihm sein Leid. Gut nahm ihn der König auf und erfand ihn bald als Geschickt in Kampf und Spiel. Nun hatte Dietrich damals keine Gemahlin; er hatte Boten ausgesandt über alle Welt, nach der schönsten Frau zu forschen. Die kamen zurück und erzählten von Hilde in Bertangaland, König Artus’ Tochter.
    "Sie ist die wunderschönste Frau, das sagten uns alle, die sie je geschaut haben; sorgfältig wird sie gehütet, nur des Königs allernächste Freunde dürfen sie sehen."
    Dietrich fragte Herburt, ob er für ihn um Hilde werben wolle bei König Artus? Und als Herburt dazu bereit war, gab er ihm vierundzwanzig Edle und liess sie geziemend ausrüsten zu der Fahrt. So ritt Herburt zu König Artus und trug ihm seines Oheims Werbung vor.
    "Warum kommt der Berner nicht selbst und wirbt um meine Tochter, wenn er sie will?" antwortete König Artus. "Du kannst Hilde nicht sehen; es ist nicht Sitte hier, dass Männer Königsjungfrauen schauen, ausser an dem Tag, wann sie zur Kirche gehen."
    Herburt blieb nun an König Artus’ Hof und trat auch in dessen Dienst; die Feinheit seiner Sitten und die Höflichkeit seines Wesens gewannen ihm aller Gunst. Der König übertrug ihm das Schänkenamt und liess vornehme Gäste von ihm bedienen; bald erhob er ihn zu seinem eignen Mundschänk, und nun hatte er nur dem König den Becher zu reichen. Als der Tag kam, da Hilde zur Kirche gehen sollte, schritt Herburt auf dem Weg vor ihr, um sie zu sehen. Die Königsjungfrau ging inmitten von zwölf Grafen, sechs ihr zu jeder Hand, die hielten ihres Gürtels Enden gefasst; hinter ihr schritten zwölf Mönche, die trugen ihres Mantels Saum; dann folgten zwölf Edelinge in Brünnen und Helmen, mit Schwert und Schild; die mussten jedem wehren, der sie ansprechen wollte. Auf ihren Schultern trug sie zwei Vögel, deren ausgebreitete Fittiche die Sonnenstrahlen von ihr abhielten; ein Seidenschleier war um ihr Haupt geschlagen, damit niemand ihr Antlitz sehen konnte. In der Kirche setzte sie sich in ihren Stuhl, nahm ein Buch und sah nicht einmal auf. Herburt ging so nah an ihren Sitz als möglich und konnte sie doch nicht sehen, denn ihre Wärter standen vor ihr. Nun hatte er zwei lebende Mäuse mitgenommen, die eine mit Gold, die andre mit Silber geschmückt. Die goldgeschmückte zog er jetzt hervor und liess sie los; sie lief längs der Wand auf Hilde zu; – da schaute die Königstochter sich nach der Maus um, und Herburt sah etwas von ihrem Antlitz. Nach einer Weile gab er auch die silbergeschmückte frei; die lief denselben Weg auf Hilde zu; und abermals schaute die Jungfrau auf die Maus, und nun erblickte sie Herburt, – da lächelte er ihr zu. Und Hilde sandte heimlich ihre Gefolgsfrau zu ihm, zu erfragen, wer er sei und was er wolle?
    "Herburt bin ich, ein Blutsfreund König Dietrichs von Bern und von ihm hergesandt; was ich aber will, kann ich nur Hilde allein sagen."
    Bald brachte die Dienerin ihm die Antwort; hinter der Kirche möge er sich verborgen halten und warten, bis der König und die Königin hinweggegangen. Herburt tat so; und als Hilde, ihrem Vater folgend, aus der Kirche schritt, wandte sie sich schnell hinter die Tür und fragte nach seinem Anliegen.
    "Schon ein halb Jahr bin ich hier! Was ich Euch zu sagen habe, ist lang; drum lasst mich Euch ungestört

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