Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Die wären gern woanders gewesen; jeder der Helden nahm einen vor, und sie schlugen in ihre langen Leiber so viele Wunden, bis die Riesen zu den erschlagenen Zwergen sanken. Ängstlich entfloh das kleine Volk scharenweis in seine dunklen Schlupfwinkel; die mutigsten hielten noch stand an Laurins Seite; als der aber sah, wie die Berner niemand verschonten, fiel er Dietrich zu Füssen und bat: "Leib und Leben ergeb’ ich deiner Gnade, gib den Zwergen Frieden." Aber zornig antwortete Dietrich: "Du hast uns die Treue gebrochen; du und die zu dir gehören, müssen las Leben lassen."
Das hörte Kunhild und eilte herzu: "Edler Herr Dietrich," sprach sie, "um aller Frauen Ehre bitte ich dich; gib mir frei Laurin und der Zwerge Volk: schone ihres Lebens." Und da Dietrich sich weigerte, fuhr sie fort: "Man rühmt dich gütig und milde; nun erweise deine Tugend!"
"Tu’, wie dich die Königin bittet," sprach Hildebrand, "nimm Laurin als Gefangenen mit nach Bern; die Zwerge aber sollen dir untertan sein, mit all ihren Schätzen." Und auch Dietleib bat für die Besiegten um Gnade.
"So sei’s denn," sprach Dietrich, "wie du bittest, Jungfrau," und Wolfhart und Wittig, die noch kämpften, rief er an: "Lasst ab vom Streit; ich habe ihnen Frieden gegeben."
Nun machten sie sich zum Scheiden bereit; der hohe Berg wurde einem fürstlichen Zwerg übergeben, der schwur Dietrich treu zu dienen. Mit Gold und Kleinodien beluden sie ihre Pferde, dann wurde auch Kunhild auf ein Ross gehoben, und Laurin führten sie in ihrer Mitte mit sich nach Bern.
Vierzehn Tage weilte Kunhild dort. "Lass dir Laurin befohlen sein, Herr Dietrich," sprach sie dann, "er machte mir untertan alles, was sein war im hohlen Berg; das lass ihn nun entgelten." Das gelobte ihr Dietrich; bei ihrem Scheiden aber schrie und heulte Laurin so sehr aus unmässigem Weh, dass auch Kunhild zu weinen begann. Da fasste Dietleib die Schwester und führte sie hinweg und brachte sie auf sein Schloss, wo sie sich bald einem gar edeln Manne vermählte.
Laurin ward dem alten Ilsung übergeben und bald schwuren Dietrich und Laurin sich treue Freundschaft, die nie gebrochen ward.
II. Dietrich, König von Bern.
1. Von Wildeber [Fußnote: Nach J. Grimm, Mythologie, S. 763, 745, ist Wildifer, d. i. Wildeber, aus dem ahd. Wild pero, d. i. Wildbär, durch Missverstand entsprungen.] und Isung dem Spielmann.
Als König Dietmar starb, wurde Dietrich König von Bern. Einst sass er mit seinen Genossen in der Halle; da trat ein hochgewachsener, fremd aussehender Mann herein. Schlecht waren seine Kleider und Waffen, einen breitem Hut hatte er tief ins Gesicht gezogen. Er ging hin vor des Königs Hochsitz und grüsste höflich und bescheiden: "Wildeber heiss’ ich und biete dir meine Dienste an."
Dem König gefiel seine Höflichkeit: "Zwar bist du mir unbekannt, Wildeber; doch sollst du mir willkommen sein, wenn meine Gefährten dich in unsre Genossenschaft aufnehmen wollen."
"Keiner wird gegen ihn sprechen, Herr!" rief Wittig, "wenn du für ihn bist."
Nun wurde Wildeber aufgenommen und ihm ein Sitz in der Halle angewiesen. Bevor er aber niedersass, ging er hin, seine Hände zu waschen. Dabei streifte er seinen Rockärmel hinauf, und Wittig sah einen dicken Goldreif an seinem Arme glänzen. Daraus schloss er, dass Wildeber ein vornehmer Mann war, obgleich der selbst gering von sich tat. Und als er nun die guten Kleider und Waffen anlegte, welche der König ihm reichen liess, sah man, dass er der Schönste war an Dietrichs Hof. Wittig und er wurden so gute Gesellen, dass keiner ohne den andern sein mochte. Um diese Zeit kam auch der junge Amalung, des Grafen Hornbog Sohn, und trat in des Überrenne Dienst, und bald darauf auch Herbrand. Er war weit umhergefahren in der Welt gegen Aufgang und Niedergang, so kannte er vieler Völker Sitten und Sprachen; darum hiess er auch Brand der Weitgefahrne. Ihm hatte Dietrich Botschaft gesandt, dass er kommen möge, sein Genosse zu werden.
Um diese Zeit brachten Gesandte aus Susa Brief und Insiegel des Königs Etzel; darin stand, wie er König Dietrich zu Hilfe rief wider Oserich.
Der hatte sich ganz verändert im Alter; hart und geldgierig geworden, bedrückte er schwer seine Untertanen, wenn er daheim war; lag er ausser Landes im Krieg, – und das tat er meistens – dann mussten sie noch grössere Schatzung zahlen.
Und mit König Etzel wolle er sich nicht gütlich versöhnen, stand weiter in dem Brief, und der Berner möge sich den Brief nicht
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