Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
sprechen."
Sie antwortete, dass sie es so fügen wolle; da trat ein Mönch zwischen sie und stiess Herburt scheltend zur Seite, – der aber fasste des Mönches Bart und schüttelte ihn zornig: "Ich will dich lehren, Herburt stossen," und Haare samt Haut riss er ihm aus.
An diesem Tage sass Hilde in der Königshalle zu Tisch und trank mit dem Könige. Herburt waltete seines Schänkenamtes. Da bat sich Hilde des Königs Mundschänk zu ihrem Dienstmann aus. König Artus gewährte die Bitte, und als Hilde in ihr Schloss zurückkehrte, folgte ihr Herburt mit den andern Dienern und Dienerinnen. Alsogleich sandte Herburt zwölf seiner Begleiter zu König Dietrich und liess ihm melden, dass er Hilde gesehen habe und mit ihr sprechen könne; sie sei die schönste aller Frauen.
Herburt sagte nun dem Königskind, dass Dietrich von Bern um sie als seine Ehefrau werbe.
"Was für ein Mann ist Dietrich?"
"Er ist der grösste Held der Welt und der mildeste Mann."
"Vermagst du wohl, Herburt, mir an die Steinwand hier sein Antlitz zu zeichnen?"
"Das kann ich leicht; und jeder, der Dietrich einmal sah, würde ihn in diesem Bild erkennen." Und er zeichnete ein Antlitz an die Wand, gross und schrecklich.
"Sieh, hier ist’s, Jungfrau; und so ein Gott mir helfe, – König Dietrichs Antlitz ist noch schrecklicher."
Hilde erschrak und rief: "Niemals möge mich dies elbische Ungeheuer erhalten! – Warum wirbst du für Dietrich und nicht für dich selber?"
"Meines Oheims Botschaft musst’ ich ehrlich ausrichten," antwortete Herburt, "wenn du ihn aber nicht haben willst, dann – nimm mich! Bin ich auch nicht König, ich stamme aus edlem Geschlecht; Gold und Silber habe ich reichlich dir zu bieten, und ich fürchte weder deinen Vater und Dietrich von Bern, noch sonst etwas in der Welt."
"Dich will ich, und nicht Dietrich von Bern," antwortete Hilde, und sie legten ihre Hände zusammen und gelobten, dass nichts sie scheiden solle ausser der Tod.
Nach einigen Tagen riet Herburt, sie wollten heimlich fliehen, ehe König Artus ihr Verlöbnis erfahre. Willig folgte ihm Hilde, und auf zwei Rossen ritten sie im Morgendämmer aus der Burg in den nahen Wald. Die Torwächter, als sie Herburt reiten sahen, argwöhnten, wer die Frau sei, die, im Mantel verhüllt, ihm folgte. Sie gingen zum König und zeigten es ihm an. Bald war der König dessen gewiss; da gebot er seinem Degen Hermann, den Entflohenen nachzureiten und nicht eher zurückzukommen, bis er Herburts Haupt mitbringe.
Hermann, dreissig Degen und dreissig Knechte, gepanzert und gewappnet, ritten, der Fliehenden Spur verfolgend, dem Walde zu. Wie Herburt fernher sie kommen sah, sprach er voll Übermuts: "König Artus fand sicherlich, dass du mit zu geringen Ehren fortgezogen bist; er sendet dir seine Mannen nach, damit sie uns dienen."
"Ich fürchte," warnte Hilde, "sie werden dein Leben haben wollen."
"So will ich nicht vor ihnen davonlaufen," antwortete er, stieg vom Ross, hob auch Hilde herunter, und band die Rosse an einen Baum. Dann ruhten sie im Walde.
Bald kam die verfolgende Schar an die Stelle. Herburt trat ihnen, Willkomm bietend, entgegen, doch Hermann fuhr ihn zornig an: "Keinen Frieden sollst du haben, Elender! Aber bevor du stirbst, sage, du Dieb, was ward aus Hilde?"
"Mein Weib," antwortete Herburt. Da stiess Hermann ihm den Speer gegen die Brust; aber Herburt hieb mit dem Schwert den Schaft entzwei und mit dem weiten Hieb spaltete er Hermann Helm und Schädel. Dem nächsten Kämpen schlug er den Schenkel durch, dass er vom Rosse fiel. Den dritten durchstach er ganz und gar, und so kämpfte er fort, bis viele erschlagen und verwundet lagen, – die übrigen flohen zurück. Hilde wusch und verband Herburts Wunden; seine Waffen waren so zerfetzt, dass sie nutzlos geworden. Dann ritten sie ihre Strasse weiter und kamen zu einem König, der sie friedlich aufnahm. Herburt wurde sein Herzog, und viel noch erzählt die Sage von seinen fernern Heldentaten.
4. Wie Sibich treulos ward.
König Ermenrich sass in Romaburg; er war der mächtigste aller Herrscher; ihm dienten und schatzten Könige, Herzoge und Grafen, und sein Landgebiet reichte im Süden bis an die Adria. Sein Ratgeber hiess Sibich, der hatte eine Frau, Odilia, von züchtigen Sitten und wundergrosser Schöne; allzu sehr gefiel sie dem König. Er entsandte Sibich in eine Stadt, an Königs Stelle Bann zu üben und Recht zu sprechen. Odilia sass unterdes daheim und nähte an einem Seidenhemd für ihren Gatten.
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