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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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Getöse, dass Gerda drinnen besorgt eine Magd befragt, weshalb die Erde bebe in der Halle und alle Wohnungen in Gymirsgard erzittern? "Ein Mann," sagt diese, "ist im Hofe vom Ross gestiegen und lässt es grasen." Gerda lässt ihn herein entbieten, milden Met im Saal zu trinken: "Obwohl mir ahnt, dass da draussen steht meines Bruders Beli künftiger Erleger." Staunend fragt sie den Gast, nachdem er den Saal betreten, wer er sei und zu welchem Zweck er, allein, durch die flackernde Flamme zu fahren gewagt? Skirnir sagt, dass er gekommen sei, ihre Liebe für Freyr zu werben und er bietet ihr als Brautgeschenk elf allgoldene Äpfel. Gerda weigert sich, sie nimmt die Äpfel nicht; keines Mannes Minne will sie: "Nie, solang wir beide atmen, könne sie und Freyr zusammen sein. Der Bote steigert seine Gabe; er bietet nun den Ring Odins, Draupnir, von welchem acht gleich schwere träufen jede neunte Nacht. Gerda meint, in Gymirsgard brauche sie des Goldes nicht, ihr Vater spare ihr Schätze genug. Da geht der Werber von Bitten zur Einschüchterung über, er gedroht sie mit Freyrs Schwert. "Siehst du, Mädchen, das Schwert, das scharfe, spitze, das ich halt’ in der Hand? Vom Haupte hau’ ich den Hals dir ab, weigerst du dich ihm." Gerda trotzt mutig dem Zwang und droht mit ihrem Vater. Aber Skirnir vertraut, mit Freyrs Schwert den alten Riesen zu fällen, und greift nun, da die Jungfrau Waffen nicht fürchtet, zur Bedrohung mit Zauberrunen; er brach Zauberruten im tiefen Wald und beschwört nun in furchtbaren Worten das Mädchen: falls sie Freyr nicht zum Manne wählt, soll sie allerlei Unheil befallen und zwar nach ihrem eignen Willen (nicht nur nach Skirnirs), weil sie dies Unnatürliche wählte; verlassen von allen Wesen soll sie in Einsamkeit Mangel, Trübsinn und Tränen erdulden oder mit einem scheusslichen, zweiköpfigen Riesen vermählt werden. Zauberrunen schneidet er in den Stab; entweder einen Riesen (d. h. ein Th, den Anfangsbuchstaben des Wortes Thurs, Riese), oder, falls sie nicht des grausigen Riesen wird, die Leiden der unvermählt alternden Jungfrau: Sehnen (oder Ohnmacht, Unmut), Ärger, Ungeduld. "Zornig ist dir Odin, der Asenfürst, zornig Freyr. Freyr flucht dir, gib nach, unselige Maid, eh’ dich befängt der Zauberzorn. Gibst du nach, so schneid’ ich die Runen ab (d. h. ich tilge sie), wie ich sie einschnitt [Fußnote: In dieser Weise trieb man feindlichen Runenzauber; man schnitt oder ritzte die Anfangsbuchstaben von allerlei Unheil bedeutenden Wörtern in Stäbe, indem man diese Leiden dem zu Verzaubernden anwünschte.] ."
    Da gibt die Maid, dem furchtbaren Zauberzwange weichend, den Widerspruch auf; sie beut dem Boten den Kühlkelch voll firnen (d. i. alten) Mets und gelobt in neun Nächten in dem Wald der stillen Pfade, Barri, Freyr Freude zu gönnen: d. h. sich ihm zu vermählen.
    Voll Ungeduld und Sehnsucht hatte Freyr den Freund erwartet; er ruft nun den Heimkehrenden schon vor dem Tor an: "Bevor du den Sattel vom Rosse wirfst, bevor du den Fuss auf die Erde setzest –, künde: was hast du ausgerichtet in Riesenland!" Und auf die Meldung des Erfolges seufzt der Ungeduldige: "Lang ist die Nacht, länger sind zwei! Wie soll ich drei überdauern! Oft schien ein Monat mir nicht so lang wie eine Nacht des sehnenden Harrens."
    Es ist unmöglich, alle einzelnen Züge in dieser schönen Sage befriedigend zu deuten; es ist auch unnötig, da die frei spielende, dichterische Einbildungskraft gar manches lediglich um der Schönheit halber erfindet, auch wohl um des Stabreims willen manchen Ausdruck bringt. Aber offenbar liegt hier eine Werbung des Sonnengottes um die Erde vor; sein Diener, Freund und Bote ist Skirnir, d. h. der Heiterer, der Wolken und Nacht des Winters verscheucht; das hingegebene Schwert ist der Sonnenstrahl, der den alten Riesen Gymir, d. h. den mit Hymir (dem winterlichen Meer) verwandten Winterfrost erlegen wird. Gerda, die umgürtete, umhegte (?), ist die von den Riesen gehütete, vom Winter bedeckte Erde; – niemand kann wollen, dass der Sonnengott und die Wintererde beisammen sind; die Weltordnung hat beide getrennt. Die wütend heulenden Hunde sind die Winterstürme, welche dem Sonnengott wehren, zu der Umhegten zu gelangen, die Werbung mit den Äpfeln und dem Ring, der Fruchtbarkeit und des Gedeihens, welche der Preis für die Vermählung mit dem Sonnenjüngling sein sollen, vermögen die noch ganz in Winterstarre versunkene Erde nicht herauszulocken; sie trotzt auch

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