Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Wölsungensage.] zugelassen; es sind eben Naturbeziehungen, welche in der Götterwelt die "Heirat" gewisser verschwisterter Gestalten erfordern, ohne dass deshalb in Leben, Recht und Sitte der Menschen noch, wie freilich wohl in grauester Urzeit der Fall gewesen [Fußnote: S. unten; Wölsungensage.] , solche Verbindungen für statthaft gegolten hätten, wie denn auch Loki in seinen Schmähreden solche Geschwisterehe zum Vorwurf macht.
Freyr als Sonnengott sendet den wohltätigen Sonnenschein (aber auch den befruchteten Regen) und gebietet über der Licht-Alben Reich: Alf-heim. Sein geweihtes Tier ist Gullin bursti, der goldborstige Eber [Fußnote: Zweifelhaft bleibt, ob ihm auch ein goldener Hirsch, der "Sonnenhirsch", der in manchen Sagen und Märchen begegnet, zu eigen ist.] , ein Sinnbild der befruchtenden goldenen Sonne; sein Fest wird gefeiert, wann die Sonne wieder siegt, d. h. ungefähr am einundzwanzigsten Dezember, dem Jul-Fest, dem das christliche Weihnachtsfest entspricht.
Nicht ganz klar ist der Zusammenhang, in welchem Freyr auch als ein Gott der glücklichen Schiffahrt gedacht wurde; auch ihm, wie Odin, wird das Zauberschiff Skidbladnir zugeschrieben, welches immer günstigen Fahrwind hat (s. Odin), sich wie ein Tuch zusammenfalten lässt und ebenso durch die Lüfte wie über die Wogen segelt.
Wie alle Wanengötter, – und er als Gott des Erntesegens noch ganz besonders, – ist Freyr friedlicher Art. Daher gelten als seine Söhne sagenhafte Könige, unter deren milder Herrschaft eine Segenszeit von Fruchtbarkeit und Friede waltete. Ein solcher war jener nordische Frôdi (deutsch Fruote), der ein besonderes Opferfest für Freyr einrichtete. Friede herrschte zu seiner Zeit über alle Lande hin, und so gross war die Rechtssicherheit und die Rechtsbruch scheuende Treugesinnung der Menschen, dass ein Goldring Jahr und Tag auf offener Heide lag, ohne dass jemand ihn sich sonder Recht anzueignen wagte [Fußnote: Was später von der Sage auf Dietrich von Bern, d. h. Theoderich den Grossen, übertragen ward; Vgl. Dahn, Könige der Germanen, III, 1866, S. 89.] . Der König kaufte zwei Mägde riesischer Abstammung, Fenja und Mensa, und brachte sie in seine Zaubermühle, Grotti, welche alles mahlte, d. h. aus sich hervorgehen liess, was der Herr der Mühle wünschte. Er gebot den beiden zu mahlen: "Gold, Friede, Frôdis Glück". Aber selber war er so habgierig, dass er ihnen verbot, länger zu rasten von ihrer Arbeit, als bis man ein Lied singen könne. Da sangen sie ein Lied, das "Grottenlied" genannt, mahlten aber zugleich und zwar: – ein feindliches Heer! Dies erschien in der Nacht, geführt von einem Seekönig, der Frôdi erschlug und dessen Schätze raubte. Das war das Ende von Frôdis Glück und Friede; die eigne Gier hat sie zerstört. Der Wiking aber nahm auch die Zaubermühle [Fußnote: Sie ist also als ein Gezimmer zu denken, das man vom Orte heben mag.] und die beiden Mahlmägde auf sein Schiff und befahl ihnen, Salz zu mahlen; – ein wertvolles Gut und wichtiger Handelsartikel. Auch den Sieger sollte das Unmass der Habsucht und die mitleidlose Härte gegen die fleissigen Mägde verderben. Um Mitternacht fragten sie den Seekönig, ob er denn noch nicht genug Salz habe? Er gebot, fortzufahren in der Arbeit. Sie taten’s; aber in kurzer Zeit sank das überlastete Schiff; da entstand im Meer ein Schlund, nämlich da, wo das Wasser durch das Loch in den Mühlstein stürzte; so entstand der Mahlstrom und deshalb ist die See salzig [Fußnote: Diese Sage ist als Märchen in Deutschland, aber auch bei den Finnen verbreitet.] .
Freyr heisst Yngwi-Freyr; die norwegischen Ynglinger stammten von Freyr. Später wird der Gott als ein menschlicher König von Schweden bedacht, der, ebenso wie jener Gott, Freude, Friede und Segen im Lande wahrte. Daher verheimlichten seine Getreuen seinen Tod, trugen die Leiche in einen grossen Grabhügel mit einer Tür und drei Fenstern, brachten durch ein Fenster alle seine Schätze hinein, Gold, Silber und Erz, und sagten den Schweden, er lebe noch in diesem Hügelhause; so währte das drei Winter nach seinem Tod und auch gute Zeit und Friede währten so lang im Lande. Der entrückte, in den Berg hinein verschwundene Gott ist der Sonnengott selbst, der während der Wintermonate verschwunden ist; solang der Sonnengott herrscht, d. h. im Frühling und Sommer, ist frohe Zeit und Glück im Lande [Fußnote: Doch wird auch Odin-Wotan als der in den Berg entrückte,
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