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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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ihrer Feinde, der Riesen, der andern Mittelwesen und endlich der Menschen, sowie der unbewussten Naturwelt; sondern dies Schicksal steht über den Göttern und allen Riesen, unabänderlich verhängt, fest.
    Es ist auch ungewiss, selbst Odin nicht in allen Dingen bekannt; durch Grübeln und durch Runen, durch Erforschung bald bei Riesen, bald bei Zwergen, bald bei Zauberweibern, die er auch wohl erst vom Tod erwecken muss und die alle auch nur einiges wissen, nicht alles, hat er seine Kenntnis zusammenzutragen, die von Allwissenheit weit entfernt bleibt. Auch die drei Schicksalsschwestern oder Nornen, in welchen das unpersönliche Schicksal alsbald personifiziert wird, machen das Schicksal keineswegs mit Absicht oder Bewusstsein; vielmehr sprechen sie es nur aus; sie spinnen und weben es, aber nicht so, wie sie wollen, sondern so, wie sie müssen.
    Sie nähern sich also insofern den menschlichen weisen Frauen (oder Zauberinnen), als sie das Künftige kennen, erkunden und aussprechen, nicht aber es bewirken.
    Dies ist wenigstens die vorherrschende Anschauung. Aber die Göttersage, wie sie im Volke lebt, ist nicht ein System – es ist ein Irrtum der Gelehrten, dies anzunehmen – und sie ist, schon vermöge der mannigfaltigen Geistes- und Seelenkräfte, welche sie herstellen, vermöge der verschiedenen Aufgaben, welche sie erfüllen soll, vermöge der frei schaltenden Einbildungskraft, welche sie weiter bildet, ohne dass die eine Sage auf eine andre Rücksicht nehmen müsste, wenn sie nicht will, von Widersprüchen durchaus nicht frei. Daher kommt es, dass Odin oder andre Götter, auch wohl die Walküren, gelegentlich doch so dargestellt werden, als ob ihr Wille, ihre Gunst oder Abgunst das Geschick der Menschen entscheide; daher betet man zu Odin und den andern Göttern, was sinnlos wäre, wenn sie gar nichts zu entscheiden hätten.
    Die Vorstellung ist wohl die, dass das Gesamtgeschick der Welt, also auch der Götter, zwar feststeht (- insbesondere die unabwendbare Götterdämmerung –), dass aber innerhalb eines grossen, weiten Rahmens, welchen das Schicksal abgesteckt hat, Odin und die andern Götter Entscheidungen, zumal über den Gang der menschlichen Geschicke auf Erden, treffen mögen; – ganz ebenso wie bei Griechen und Italikern.
    Bei solcher Auffassung wird es nun möglich, dass auch die Nornen das Geschick nicht lediglich aussprechen oder, ohne eignen Willen, spinnen und weben, sondern dass sie – innerhalb eines bestimmten, unüberschreitbaren Rahmens – selbsttätig Glück und Unglück bestimmen, ja auch Eigenschaften wie Schönheit, Hässlichkeit, Kraft, Schwäche, Mut, Feigheit, Weisheit, Torheit, Begabung, wie z. B. für Harfenspiel, für Skaldenkunst, für Rätselraten, für Rechtsprechung, dem Menschen [Fußnote: Denn zunächst sind es die Menschen, deren Geschicke die Nornen spinnen oder legen, freilich auch die allgemeinen Weltgeschicke.] bei der Geburt mitgeben; – ihm in die Wiege legen [Fußnote: So heisst es einmal; "Nacht nahte der Burg; da nahten auch Nornen, / Dem Edeling das Alter zu ordnen (d. h. dem Neugebornen die Geschicke seiner wechselnden Lebensalter festzustellen). / Sie gaben dem Knaben, der Kühnste zu werden, / An Achtung aller Edelinge Edelster. / Schicksalsschlingen schlangen sie. / –- / Festigten Fäden fernehin / Machtvoll mitten unter dem Monde. / Sie banden der Bänder beide Enden im West und im Ost. / In der Mitte lag das Land des Lieblings; / Aber ein Ende nach Nacht und Nord (dies ist Unheil bedeutend), / Schwang schweigend Nörwis Schwester; / Ewig, unalternd, gebot sie dem Band, / Zu haften und halten." (Frei nach Helgakwida, II, 1-4).] ", als "Angebinde", was ursprünglich ganz wörtlich zu nehmen war; die Freunde, Gäste, zumal aber die Paten, welche dem Kinde Namen gaben, waren mit dem Namengeben zugleich Geschenke in die Wiege zu stecken, oder an die Pfosten des Bettes der Mutter zu binden durch Recht und Sitte verpflichtet; auch etwa wann das Kind "den ersten Zahn bricht", haben ihm die Paten ein ",Zahngebinde", "Zahngeschenk" zu reichen. Bei der Dreizahl der Nornen [Fußnote: Wenn manchmal mehr als drei Nornen angenommen werden, so ist dies im uneigentlichen Sinne zu verstehen; Zauberweiber, Weissagende, weise Frauen werden dann beigezählt. Da die Nornen Zeitgöttinnen sind, können mehr als drei im eigentlichen Sinne nicht vorkommen.] : Urd (nordisch Urdhr), die Vergangenheit, Werdandi, die Gegenwart, Skuld, die Zukunft, – tiefsinniger kann man das

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