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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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vergassen ihre Eide, riefen Thor zu Hilfe, der denn auch, nach seiner Art, flugs da war und dem Baumeister, statt mit Wonne und Mond, mit dem Hammer den Baulohn zahlte, auf den ersten Streich ihm den Schädel in kleine Stücke zerschmetternd. Loki selbst war in der Pferdegestalt Swadilfari begegnet; er gebar später ein Füllen, grau, mit acht Füssen; das ward Odins Ross Sleipnir, der Pferde bestes bei Göttern und Menschen.
    Nachdem nun noch mancherlei andre Verschuldung der Götter hinzugekommen, manche Einbusse nur durch bedenkliche Mittel abgewendet oder wieder eingebracht worden, nahet die Zeit heran, da die Götter und alles Leben von der ersten Vorstufe und Vorbedeutung der endgültigen "Dämmerung" betroffen werden durch Baldurs Tod.
    Baldur hatte schwere Träume; ihm ahnte, er werde bald sterben.
    Jene Träume und Ahnungen sind einerseits der Ausdruck für die Sorge um die Abnahme von Licht und Wärme, welche Jahr um Jahr die Menschen ergreift, solange Baldurs Tod und Auferstehen sich auf den jährlichen Lichtwechsel allein bezog.
    Seit aber später dieser Tod auf das grosse Weltenschicksal bezogen ward, so dass Baldur nicht mehr schon im nächsten Frühjahr wiederkehrt, sondern erst in der erneuten Welt, – seitdem drückt solche Sorge wohl auch die schwermütige, tragische Ahnung aus von der Vergänglichkeit, von dem unvermeidlichen Untergang alles Schönen, Edeln, Erfreulichen, welches bange Gefühl – tragisch, aber nicht pessimistisch! – tief in germanischer Eigenart wurzelt. – Endlich liegt nun wohl auch das Schuldbewusstsein der Götter solcher Ahnung zu Grunde, wiewohl gerade von dem lichten und reinen Baldur selbst keinerlei Schuld bekannt ist.
    Vergeblich sandte Odin seinen Raben Hugin aus, von zwei weisen Zwergen Rates zu holen; der Zwerge Aussprüche glichen selbst dunkeln, nicht zu deutenden Träumen.
    Da hielten die Asen Ratsversammlung und beschlossen, Baldur Sicherung gegen jede mögliche Gefahr zu schaffen, indem Frigg von allen Dingen, welche das Leben bedrohen mögen, Eide nehmen sollte, Baldur nicht zu schaden. So tat Frigg und nahm Eide von Feuer und Waffen, von Eisen und allen Erzen, von Stein und Erde, von Seuchen und Giften, von allem vierfüssigen Getier, von Vögeln, Würmern und Bäumen [Fußnote: Menschen, Elben und Riesen darf man wohl hinzudenken; sogar die letzteren, denn alle Lebenden müssen Baldurs Leben wünschen, auch werden wir Riesen friedlich zu Baldurs Leichenbrand kommen sehen. Ich folge von hier ab meist wörtlich der Edda, dann, in den Deutungen, J. Grimm, Uhland und Simrock.] .
    Als das geschehen war, kurzweilten die Asen mit Baldur; er stellte sich mitten in ihren Kreis, wo dann einige nach ihm schossen, andre nach ihm hieben und noch andre mit Steinen warfen. Und was sie auch taten; – es schadete ihm nicht. Das deuchte sie alle ein grosser Vorteil.
    Als aber Loki das sah, gefiel es ihm übel, dass Baldur nichts verletzen sollte. Da ging er zu Frigg in Gestalt eines alten Weibes. Frigg fragte die Frau, ob sie wisse, was die Asen in ihrer Versammlung vornähmen? Die Frau antwortete, sie schössen alle nach Baldur, ihm aber schade nichts. Da sprach Frigg: "Jawohl! Weder Waffen noch Bäume mögen Baldur schaden, ich habe von allen Eide genommen." Da fragte das Weib: "Haben wirklich alle Dinge Eide geschworen, Baldur zu schonen?" Frigg antwortete: "Östlich von Walhall wächst eine Staude Mistiltein (Mistelzweig) genannt; die schien mir zu jung, sie in Eid zu nehmen." Darauf ging die Frau fort; Loki ergriff den Mistiltein, riss ihn aus und ging zur Versammlung. Hödur ("Kampf") stand zu äusserst im Kreise der Männer, denn er war blind. Da sprach Loki zu ihm: "Warum schiessest du nicht nach Baldur?" Er antwortete: "Weil ich nicht sehe, wo Baldur steht; zum andern hab’ ich auch keine Waffe." Da sprach Loki: "Tu doch wie andre Männer und biete Baldur Ehre, wie alle tun. Ich will dich dahin weisen, wo er steht; so schiesse nach ihm mit diesem Reis." Hödur nahm den Mistelzweig und schoss auf Baldur nach Lokis Anweisung. Der Schuss flog und durchbohrte ihn, dass er tot zur Erde fiel; und das war das grösste Unglück, das Menschen und Götter betraf.
    Baldur ist das Licht in seiner Herrschaft, die zu Mittsommer ihre Höhe erreicht hat; sein Tod ist also die Neige des Lichts in der Sonnenwende. Sein Mörder Hödur ist demzufolge der lichtlose, der blinde, weil er das Dunkel des Winters bedeutet, dessen Herrschaft sich nun vorbereitet und zur Julzeit vollendet,

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