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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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sondern den Wunsch aller Wesen, dass das Licht lebe. Den Tod Baldurs führte Loki herbei nur durch die Mistel; die einzige Waffe, die an ihm haftet (s. unten), ist ein Symbol des düstern Winters. Die Mistel, die im Winter wächst und reift, die darum (wie Thöck s. unten) auch nicht des Lichtes zu ihrem Gedeihen zu bedürfen scheint, ist allein nicht für Baldur in Pflicht genommen (so Uhland S. 146). Oder auch: bei den Eiden, die allen Dingen abgenommen wurden, ward die Mistel, die als Schmarotzerpflanze kein selbständiges Leben zu haben schien, übersehen. Die Staude schien zu jung, zu unbedeutend, sie in Pflicht zu nehmen [Fußnote: Übrigens wächst die Mistel, bei uns nur eine schwache Staude, im Norden, so auf den Inseln im Mälarsee, bis zu drei Ellen Länge auf; sonst wäre doch ihre Verwendung als tödliche Waffe ungereimt. Ihre Heiligkeit ist germanischen und keltischen Völkern gemein. Das Geheimnisvolle an ihr liegt darin, dass sie nur auf Bäumen wächst und auch hier sich nicht säen lässt; denn zu voller Reife gedeiht ihr Same nur im Magen der Vögel, die ihn dahin tragen, wo er aufgeht; es ist dabei keine Menschenhand im Spiel und die göttliche Fügung offenbar. Bekannt ist die noch in England fortlebende Sitte, die Mistel am Weihnachtsabend über den Türen aufzustecken. In Deutschland hängt man sie, in Silber gefasst, Kindern um den Hals, und wo sie, was selten ist, auf Haseln wächst, ist sicher ein Schatz verborgen.] .
    Thor muss den Scheiterhaufen nach nordischer Sitte mit seinem Hammer weihen. Aber er bedroht auch damit die Riesin Hyrrockin, welche das Schiff in die See stossen soll. Indem er dem Übermut dieser Riesin wehrt, erscheint Thor als Bekämpfer der masslosen Naturgewalt, hier (nach Uhland) des versengenden Sonnenbrandes, der nach der Sommersonnenwende einzutreten pflegt (daher ihr Name Hyrrockin, d. h. Feuerberauchte).
    Das Schiff Hringhorn ist die Sonne selbst, die in der Zeit der Sommersonnenwende eine Weile stille zu halten scheint, aber nach dem gewaltigen Stoss, mit dem die Riesin es vortreibt, die Wende nimmt und abwärts lenkt. So fährt nun Hringhorn, flammend in Sonnenglut, dahin; aber es trägt nur noch die Leiche seines Gottes! Da bricht auch der Gattin Baldurs, Neps’ Tochter Nanna, das Herz; sie ist die Blüte, die aus der Knospe hervorgeht und darum Neps’ (für hneppr, Knopf) Tochter heisst. Mit der Abnahme des Lichtes geht auch das reichste, duftendste Blumenleben zu Ende; als Baldurs Leiche zum Scheiterhaufen getragen wird, zerspringt Nanna vor Jammer. Die Liebe Baldurs und Nannas, des Lichtes und der Blüte, bildet ein Seitenstück zu der Liebe Bragis und Iduns, des Gesanges und der Sommergrüne. Der Zwerg Lit, der Thor vor die Füsse läuft, und den er, im Unmut über Baldurs Tod, ihnen in das Feuer nachstösst, ist die Farbe (Litr), der reiche frische Schmelz des Frühsommers, der mit hinab muss, wann Baldur und Nanna zu Asche werden.
    Die ganze Natur klagt um Baldurs Tod, weil sie des Lichtes bedürftig ist, und seinem Leichenbegängnis wohnten selbst Hrimthursen und Bergriesen bei, sonst ein lichtscheues Geschlecht; auch sie können des allbelebenden Lichtes nicht ganz entraten. Thöck, die ihn nicht aus Hels Gewalt weinen wollte, ist der Eigennutz, die kalte herzlose Selbstsucht, die, aller Wohltaten unerachtet, welche die ganze Welt von dem Heimgegangenen genossen hat, sich in Unempfindlichkeit verstockt, weil nicht gerade sie, das Riesenweib in der finstern Höhle, Vorteil von ihm genossen zu haben sich erinnert; denn in ihren Schlupfwinkel drang das Licht des Tages nie. Ihr Name freilich bezeichnet den Dank, aber ironisch, wie wir sagen: "Das ist der Dank dafür", "Undank ist der Welt Lohn". Die ganze Welt klagte um Baldurs Tod; nur die Eigensucht ward durch seine Verdienste nicht überwunden.
    Der Ring Draupnir gewann seitdem die in seinem Namen angedeutete Eigenschaft, dass jede neunte Nacht acht gleiche Goldringe von ihm träufen. Nach andren Überlieferungen besass er sie von Anfang an, da ihn die Zwerge bildeten; er ist auch im Besitz Freyrs (und seines Dieners Skirnir) nebst jenen elf Äpfeln, die uns an die Iduns erinnerten; beide bedeuten Fruchtbarkeit, Vermehrung und Wiedererneuerung. Als grüssendes Wahrzeichen seiner dereinstigen Wiederkunft schickt Baldur den Ring an den Vater auf die Oberwelt, als bejahende zuversichtliche Antwort auf Odins ihm in das Ohr geflüsterten Trost.
    Auch Nanna sendet Andenken aus Hels Reich herauf; Frigg einen

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