Walisischer Sommer
weit im voraus Christa plante. Die Dessins, die sie gerade entwarf, würden erst in der Sommersaison in zwei Jahren auf den Markt kommen. Und für die Wintersaison in zwei Jahren wurden bereits jetzt die Farben, Schnitte und Accessoires festgelegt, die dann als die neuste Mode vorgestellt werden sollten.
Nachdenklich betrachtete sie die Stoffmuster, die vor ihr lagen. Sie wiesen viel Blau und Grün auf, die durch Sandfarben wie Beige und Gold aufgelockert wurden. Sie zog einen tiefblauen Damast heraus und fand schließlich einen dazu passenden Brokat in Altgold, obwohl diese Kombination ein wenig düster und schwer wirkte. Christa dachte über eine wirkungsvolle Zusammenstellung für die Werbeprospekte nach. Auf einmal fiel ihr ein wasserblauer Stoff ins Auge, der mit goldfarbenen Sonnen bedruckt war. Ja, das bildete einen dramatischen Kontrast zu den beiden unifarbenen Materialien.
Inzwischen war es wieder ruhig im Haus. Christa lächelte zufrieden vor sich hin. Plötzlich ging das Geläute jedoch wieder los, so daß Christa ungehalten die Stirn runzelte. Offenbar hatte der Besucher nicht die Absicht aufzugeben. Zutiefst verärgert legte sie die Stoffmuster hin und eilte die Treppen hinunter.
Völlig außer Atem und ziemlich schlecht gelaunt, strich sie sich mit der einen Hand das Haar aus dem Gesicht, während sie mit der anderen die Haustür öffnete.
„Also, hören Sie mal”, begann sie gereizt. „Ich habe zu arbeiten und …”
Es verschlug ihr die Sprache, als sie sah, wer vor ihr stand. Was wollte Daniel Geshard hier? Wollte er ihr etwa mitteilen, daß er es sich anders überlegt hatte und das Angebot zurückzog?
Aber der amüsierte Blick, mit dem er sie betrachtete, ließ nicht darauf schließen, daß er vorhatte, klein beizugeben. Auf einmal errötete sie, denn ihr wurde bewußt, wie sehr es ihn offenbar belustigte, daß sie barfuß herumlief.
Es war eine ihrer Angewohnheiten, die Stoffe um sie her auf dem Boden auszubreiten, die Schuhe auszuziehen und sich hinzuknien. Eigentlich hatte sie ihre Füße noch nie als besonders aufreizend empfunden, doch jetzt, als sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg, hätte sie die Zehen am liebsten im Teppich versteckt, um sie Daniel Geshards Blick zu entziehen. Er wirkte noch größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, und viel männlicher. Er trug Jeans und ein blaues Hemd. Und als Christa sich daran erinnerte, daß sie ihn sich in der Phantasie genauso ausgemalt hatte, errötete sie noch mehr.
Widerwillig gestand sie sich ein, daß er in der lässigen Freizeitkleidung viel besser aussah, als sie sich vorgestellt hatte. Kein Mann hat das Recht, so lange Beine und so kräftige Oberschenkel zu haben, überlegte sie.
Sie erstarrte, als er, ohne sie zu fragen, an ihr vorbei in die Diele ging. Dabei konnte sie sekundenlang sein markantes Profil bewundern. Sie schluckte heftig. Mußte er ausgerechnet im ungünstigsten Augenblick auftauchen? Sie hatte außerdem nur ein bequemes Top und Leggings an. Das Haar fiel ihr lose über die Schultern, und sie hatte kein Make-up aufgetragen. Woher kennt er überhaupt meine Adresse? fragte sie sich plötzlich, während sie ihn verstohlen musterte. Er ist wirklich ausgesprochen attraktiv, stellte sie fest und erbebte. Rasch senkte sie den Blick.
„Was wollen Sie?” erkundigte sie sich. Sie mußte unbedingt die Kontrolle über die Situation zurückgewinnen.
Daniel Geshard blieb stehen und schaute sich die Collage an, die Christa auf dem College zusammengestellt hatte und die ihre Tante in der Diele aufgehängt hatte.
„Was ich will?” wiederholte er. „Nun …”
Er schaute sie so seltsam an, daß sie irgendwie das Gefühl hatte, sich aufs Glatteis begeben zu haben, auf dem sie jeden Moment ausrutschen konnte.
„Ich meine, weshalb sind Sie hier?” erklärte sie deshalb schnell.
„Ach so.” Er lächelte enttäuscht.
Obwohl Christa mit jedem anderen Gesprächspartner Spaß an diesem Wortgeplänkel gehabt hätte, mahnte sie sich jetzt zur Vorsicht.
Schließlich hatte Daniel größtes Interesse daran, sie auf seine Seite zu ziehen. Daher war ihm wahrscheinlich jedes Mittel recht, sie von der Wirksamkeit seiner Kurse zu überzeugen.
„Ich will Sie abholen”, erwiderte er nun. „Das Zentrum ist sehr abgelegen und nicht leicht zu finden …”
„Ich bin doch kein Paket”, entgegnete sie und fügte bissig hinzu: „Ich glaube nicht, daß es mir schwerfällt, den Weg nach Wales zu finden. Bisher habe ich
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