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Walküre

Walküre

Titel: Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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hatte sich für eine Karriere und für sich selbst entschieden. Nun saß sie unter dem bleichen norwegischen Himmel, schaute zu, wie Straßenbahnen vorbeifuhren, und warf der Frau mit den beiden Kindern flüchtige Blicke zu. Sie spürte einen vagen Schmerz in der Brust.
    Das war sinnlos. Eine sentimentale Verirrung. Sie ärgerte sich über ihre Unbeherrschtheit seit ihrer Ankunft. Ein Beispiel bildete die Fahrt zum Holmenkollen.
    Birta hatte nicht beabsichtigt, den Holmenkollen zu besuchen, doch als sie Oslo vor sich liegen sah, hatte sie das Bedürfnis dazu verspürt. Sie war die Nacht durchgefahren und hatte sich der Stadt auf dem Mosseveien, an der Küste entlang, genähert, als der Tag schmerzlich schön mit tiefroten und purpurblauen Seidentönen über dem Oslofjord anbrach. Birta hatte das Auto auf einem städtischen Parkplatz in einem Außenbezirk abgestellt und sich dann in die T-Bane zum Holmenkollen gesetzt. Dort mischte sie sich unter die wenigen außerhalb der Saison eingetroffenen Touristen im Skizentrum. Wie die anderen schaute sie von der Spitze der Sprungschanze über die Stadt hinweg. Aber hauptsächlich wollte sie sich den Biathlon-Parcours rund ums Zentrum ansehen. Noch einmal. Es war ein sinnloser, für sie ganz untypischer Ausflug gewesen. Nun saß sie mitten in Oslo und beobachtete neidisch, wie eine Frau Aufhebens um ihre Kinder machte.
    Sie war aus einem anderen Grund in Oslo: geschäftlich, nicht um überflüssiger Selbstbesinnung nachzugehen. Sie bezahlte ihren Kaffee und entfernte sich, ohne der Frau und den Kindern einen weiteren Blick zu gönnen.
    Die Sonne stand bereits tief, und der lange nordische Winterabend würde bald anbrechen. Es würde dunkel sein. Zeit für ihr Treffen.
     
10.
    »Abgemacht«, schlug Fabel ein. »Wir tauschen unsere Erkenntnisse aus. Aber im Moment dürfte die Sache sehr einseitig sein. Sie sind diejenige mit den Hintergrundinformationen. Ich selbst habe im Moment nichts anderes als etwas, das nach einem natürlichen Tod aussieht.«
    »Wie erwähnt«, erwiderte Karin Vestergaard, »war Jens Jespersen mein Vorgesetzter in der Politiets Aktionsstyrke. Ich habe damals verdammt viel von ihm gelernt. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nicht dort, wo ich heute bin.«
    Fabel musterte sie, um herauszufinden, ob die Eisjungfrau zu tauen begann. Wenn es Anzeichen dafür gab, waren sie so schwach, dass er sie nicht entdecken konnte. Sie sprach respektvoll, sogar mit einer gewissen Zuneigung von Jespersen, doch ihre Stimme blieb kühl.
    »Vor sechs Jahren haben wir eine große Drogenbekämpfungsoperation durchgeführt. Wir – oder genauer gesagt, Jens – haben eine komplizierte Falle aufgebaut und Goran Vujacic geschnappt. Sie kennen ihn wahrscheinlich: den bosnisch-serbischen Kriegskommandanten, der Drogenschmuggler wurde.«
    »Ich erinnere mich an ihn«, bestätigte Fabel. »Es ist erstaunlich, dass Leute wie Vujacic mit irgendeinem ethnischen oder politischen Programm anfangen und sich dann begeistert dem kriminellen freien Markt zuwenden. Nach allem, was man hört, war er ein übler Drecksack. Er ist doch tot, nicht wahr?«
    »Darauf werde ich noch eingehen, aber Sie haben recht. Er ist vor vier Jahren gestorben. Vujacic war ein schleimiger und bösartiger Mistkerl. Als Mitglied einer bosnisch-serbischen Polizeieinheit hat er sich im bosnischen Krieg direkt an einigen der Gräueltaten beteiligt. Allerdings wurde er nie in Den Haag vor Gericht gestellt. Es lag nicht genug Beweismaterial gegen ihn vor. Aber der Halunke hat an den Massakern und an der Einrichtung der Vergewaltigungslager mitgewirkt. Jedenfalls hat Jespersen eine verdeckte Operation durchgeführt, und wir konnten Vujacic unschädlich machen. Ein paar Monate vorher war es uns gelungen, einen dänischen Geschäftsmann namens Peter Knudsen zu erwischen, der sich in Drogenexporten versucht hatte. Jens traf eine Vereinbarung mit ihm, und Knudsen arbeitete bei der Täuschung von Vujacic mit uns zusammen. Wir benutzten Knudsens Jacht, und Jens übernahm dessen Rolle. Dann arrangierten wir drei Treffen auf der Jacht und eines in Kopenhagen. Vujacic ließ sich auf alles ein. Beim letzten Treffen auf der Jacht wechselte Geld elektronisch den Besitzer. Es war eine sehr teure Operation für uns, aber sie schien äußerst erfolgreich zu sein.«
    »Wieso wurde Vujacic dann wieder auf freien Fuß gesetzt?«, fragte Fabel.
    »Leider hatte Jens nicht alle Formalitäten eingehalten, und Vujacics Anwälte sprachen von

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